Autor: Dominik
Im Rahmen meines großen Nikon 200mm Brennweitenvergleichs, stelle ich hier zwei klassische Profi-Zoom-Objektive gegenüber: Ai Zoom-Nikkor 80-200mm f4.5 (frühe 80er Jahre) vs. Ai-S Zoom-Nikkor 80-200mm f4 (späte 80er Jahre). Beide getestet an der hochauflösenden Nikon D810 Vollformatkamera bei 20 Megapixel, eine Herausforderung!
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1. Produkt
Profi-Tele-Zoom-Objektive der 80er Jahre
2. Unternehmen
- Nikon Corporation AG (seit 1917), Shinagawa Intercity Tower C, 2-15-3, Konan, Minato-ku, Tokyo 108-6290, Japan
3. Kauf
- Ai Nikkor 80-200mm f4.5 N: 04/2023
- Ai-S Nikkor 80-200mm f4: 04/2023
Im Rahmen meines 200mm-Vergleichs bzw. auf der Suche nach einer kompakteren Ersatz für mein 70-200mm 2.8 habe ich mir diese beiden Zoom-Nikkor zugelegt.
4. Spezifikationen
Übrigens: Von 1982 bis 1985 gab es neben den kompakten 80-200mm auch noch das monströse 1,9 kg schwere, ebenfalls manuelle, Ai-S Zoom Nikkor 80-200mm f2.8 (Seriennummern 181091 – 182677, 15 Linsen in 11 Gruppen, 95mm Filterdurchmesser, 2,50m Fokusgrenze). Panzermaße, Panzergewicht, und der heutige Marktpreis entspricht teilweise wieder in etwa dem damaligen Verkaufspreis.
5. Technik
Die Push/Pull-Zoomierung vereinen beide Objektive, beim dazu notwendigen Kraftaufwand liegt jedoch auch ihr größter funktionaler Unterschied. Beim älteren f4.5 ist der Schiebemechanismus derart leichtgängig, dass der Zoomring bereits allein durch die Schwerkraft verstellt wird. Das erste und dritte Foto zeigt die Realität, beim zweiten Foto musste ich den Ring von hinten abstützen;-)
Diese Leichtgängigkeit ist jedoch kein Fehler (wie ich auch immer mal wieder gelesen habe), sondern gehörte zum Bedienkonzept der komfortablen Zoomierung mit gleichzeitiger Fokussierung. D.h. man zoomt und fokussiert in einer Bewegung; das will geübt werden, klappt dann jedoch sehr gut. Beim Nachfolger f4 ist sowohl die Schiebe- als auch Drehbewegung deutlich strammer ausgelegt. So schlackert zwar kein Zoomring mehr umher, dafür leider jedoch der Bedienkomfort. Persönlich fände ich eine Mischung aus beiden am besten, denn so ist mir das eine zu lose, wie auch das andere zu fest. Verstärkt wird dieser Unterschied zusätzlich durch verschiedene Zoomwege: beim Ai f4.5 fährt der Tubus nach vorn auf ca. 200° Drehbewegung 10mm aus, beim Ai-S f4 auf 270° (3/4 Umdrehung) 18mm.
Beide Objektive besitzen die Kurven zur hyperfokalen Entfernung (Wert aus Brennweite, Blende, Zerstreuungskreisdurchmesser). Alle Markierungen sind graviert als auch eingefärbt, die Blendenringe bestehen aus Aluminium, grundsätzlich gibt es kein erkennbares Plastik an den Objektiven. Sie vermitteln einen enorm hochwertigen Eindruck, und liegen damit auch entsprechend hochwertig ist der Hand (im Gegensatz zu heutigen Plastik-Linsen). Ob es ebenfalls zum “lockeren” Bedienkonzept gehört, dass sich der Blendenring beim Ai f4.5 deutlich leichter drehen lässt, während der beim Ai-S f4 noch spürbar mehr rastet, oder ob es schlichtweg am Verschleißt liegt, kann ich nicht beurteilen. Die neue Version des Ai f4.5, welche bis zum Wechsel auf Ai-S vier Jahre lang produziert wurde, ist von den älteren Versionen C, K, Ai (falls man die Seriennummern nicht weiß) durch die markant rechteckige Abdeckung am hinteren Linsenelement zu erkennen.
Neben der unterschiedlichen Zoom-Haptik besteht der größte optische Unterschied bei den Gläsern. Aus 12 Linsen und 7 Blendenlamellen mit 52mm Filterdurchmesser wurden 13 Linsen und 9 Blendenlamellen mit 62mm Filtergewinde. Dadurch auch die von f4.5 um 2/3 auf f4.0 erhöhte Blendenstufe, welche sich bei Offenblende auch bemerkbar macht.
Für beide Objektive gibt es optional eine ebenso hochwertige Gegenlichtblende zum Einschrauben aus Metall (ich hatte nur für die Version f4 eine dazubekommen, die andere besteht aus Gummi). Allein schon zum Schutz der Frontlinse kann ich den permanenten Gebrauch der originalen Blende nur empfehlen. Solch eine Gummiblende lässt sich zwar komfortabel zurück klappen und kann demzufolge immer montiert bleiben, sie hält jedoch nicht ewig (meine war bereits porös und stark eingerissen). Nachteilig bei der Metallkappe ist ihre nicht vorhandene Befestigungsmöglichkeit im nicht aufgesetzten Zustand, d.h. die Blende muss immer lose mitgeführt werden, und kann so natürlich auch schneller verloren gehen. Vermutlich deshalb ist sie deshalb zu selten anzutreffen und schwierig nachzukaufen. Am besten man lässt sie daher einfach immer montiert, die Gesamtlänge steigt dann um 38mm auf genau 21cm beim Ai-S f4.
6. Bildqualität
Schärfe
Bezüglich dem wichtigsten Punkt Schärfe verweise ich hier auf meinen großen 200mm-Brennweite-Vergleich, wo diese beiden Objektive nicht nur gegeneinander antreten müssen, sondern auch noch gegen eine gleichaltrige 200mm Festbrennweite, sowie mein modernes AF-S Nikkor 70-200mm f2.8 D ED VR II.
Den Mond habe ich selbstverständlich auf Stativ, mit Kabelfernauslöser, und Spiegelvorauslösung bei jeweils Blende 8, t=0,01s und ISO64 aufgenommen; der Unterschied ist klar erkennbar.
Erste Bildreihe mit dem Ai 80-200mm f4.5 bei f8, t=0,005s, ISO200: Zuerst bei 80mm (5520 x 3680 Pixel), daraus ein Ausschnitt (1000 x 667 Pixel), dann bei 200mm (5520 x 3680 Pixel), und daraus wieder ein Ausschnitt (1000 x 666 Pixel).
Zweite Bildreihe mit dem Ai-S 80-200mm f4, jeweils unterschiedliche Motive, verschiedene Werte siehe Bildbeschreibung.
Flares
7 Blendenlamellen beim Ai erzeugen 14 Sonnenstrahlen, 9 Lamellen beim Ai-S sogar ganze 18. Die Linsenreflexionen (lens flares) sind sichtbar, aber in beiden Fällen gleich moderat. Moderne Linsen mit ihren Portrait-freundlichen runden Lamellen produzieren in solchen Situationen oftmals nur noch einen großen runden grellen Ball.
Action
Folgend ein paar Bilder, welche ich bei Spaziergängen, meist bei Offenblende, Freihand aufgenommen habe; alle Bilder unbearbeitet “out-of-the-box” der Nikon D810. Durch die sehr leichtgängige Schiebe-Zoom-Fokussierung sind mit dem Ai f4.5 tatsächlich auch Actionbilder möglich (1/1000s). Natürlich die Ausschussquote höher als bei einem modernen AF-S, aber Übung macht den Meister. Der deutlich strammere Mechanismus des Ai-S macht solche Aufnahmen deutlich schwerer, um nicht zu sagen, nahezu unmöglich. Zumindest bei beim auf mich zulaufenden Ilai sind seine Beine am Boden deutlich schneller, als meine Finger am Objektiv.
Ai Zoom-Nikkor 80-200mm f4.5
Ai-S Zoom-Nikkor 80-200mm f4
7. Fazit
Beide Objektive bereiten Freude beim Fotografieren, und es liegt wohl mehr an den persönlichen Vorlieben, mit welchem Bedienkonzept man besser klar kommt, sprich ob man lieber einen lockeren oder festeren Zoom-und Fokusring mag. Die Bilder mit dem älteren Ai f4.5 sind bei etwas mehr Kontrast farblich wärmer abgestimmt, das neuere Ai-S neutraler. Das alte produziert bereits bei Offenblende 4.5 scharfe Resultate (bis maximal f16), das neue erst nach Blende 5.6 (bis ungefähr f11), und besitzt damit einen deutlich schmaleren Schärfebereich. Dafür ist hier die Naheinstellgrenze um ganze 60cm kürzer, was für ein Tele-Zoom zu einem mit 1:4,2 (statt 7,4) recht hohen Abbildungsmaßstab führt. Mit einer Nahlinse (z.B. Nikon 6T) wären sogar schon Makro-Aufnahmen möglich! Alles in allem ist jedes Objektiv für sich eine Anschaffung wert, allein bereits die hochwertige Haptik macht es modernen Kunststoff-Linsen ordentlich etwas vor…und das bei längerer Lebensdauer zu einem Bruchteil deren Preises.