Autor: Dominik
Das Ai-S Nikkor 20mm f3.5 ist ein sehr kompaktes, und weitestgehend unterschätztes Superweitwinkelobjektiv, welches auch an einer hochauflösenden DSLR mit 36 Megapixeln keine gravierenden Schwächen zeigt.
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1. Produkt
Superweitwinkel-Festbrennweite.
2. Unternehmen
- Nikon Corporation AG (seit 1917), Shinagawa Intercity Tower C, 2-15-3, Konan, Minato-ku, Tokyo 108-6290, Japan
- Made in Japan
3. Kauf
- 08/2023: 245,-€ inklusive Versand + Importgebühren aus Japan
Weil mir am Ai-S Nikkor 20mm f2.8 der 62mm Filterdurchmesser nicht in mein Sortiment passte, und ich gelesen hatte, dass dessen Vorgänger deutlich weniger empfindlich auf Gegenlicht reagiert, habe ich das 2.8er gegen das ältere 3.5er getauscht (Vergleich d3er beiden hier!). Aufgrund des Alters dieses Modells habe ich aus den zahlreichen Angeboten in Japan das mit der höchsten Seriennummer und besten Zustand ausgewählt. Bei geringeren Ansprüchen ist dieses Objektiv auf bereits ab 200€ erhältlich.
4. Spezifikationen
- Modellbezeichnung: Nikon Ai-S Nikkor 20mm f3.5
- Produktionsjahr: 10/1981 – 09/1984 (Serien-Nr. 210001 – 2386477)
- Serien-Nummer: 234619
- Produktionsvolumen: 28.646
- Vorgänger: Ai Nikkor 20mm f3.5 (12/1977 – 12/1981)
- Nachfolger: Ai-S 20mm f2.8 (1984-2005)
- Gehäuse: komplett Metall, Gummi-Fokus-Ring
- optischer Aufbau: 11 Linsen in 8 Gruppen
- Brennweite: 20mm, fest
- Bildwinkel: 94°
- Naheinstellgrenze: 30cm
- Abbildungsmaßstab: 1:10,8
- Hyperfokale Entfernung: f5.6, f11, f16, f22
- Infrarotmarkierung: kleiner roter Punkt auf silbernem Metallring
- Blende: f3.5 – f22
- Blendenlamellen: 7 gerade
- Blendenring: präziser Gang mit eindeutigen Rastungen
- Fokus-Drehung: 70° (Vorgänger 100°, Vorvorgänger 140°), mittelweich/straff gut passend zum Drehwinkel
- Breite Fokusring: 8mm
- maximaler Fokusweg: 2,2mm
- Frontelement beim Fokussieren: fest
- Länge nackt: 40,5mm
- Länge mit Deckeln: 62,5mm
- Länge mit Gegenlichtblende: k.A.
- Durchmesser: 63mm
- Filtergewinde: 52mm
- Gegenlichtblende: HK-6 (Metall, zum Klemmen)
- Gewicht nackt: 237g
- Gewicht mit Deckeln: 255g
5. Praxis
Im Vergleich zum Vorgänger, dem Ai 20mm f4 aus 1974-1978 (210g), ist dieses 20mm f3.5 zwar ca. 30g schwerer, im Vergleich zu seinem Nachfolger, dem Ai-S 20mm f2.8, jedoch um den gleichen Wert leichter, und damit äußerst kompakt. Nur einige 50mm Objektive, z.B. das 1.8er Pancake, unterbieten diese Werte nochmals deutlich.
Mit nur 8mm Breite und nur 70° Drehwinkel ist der Fokus auf ein ebenso kompaktes Maß gelegt wurden. Da 95% der Fokussierung den Bereich zwischen 30cm und 2m betreffen, bleibt einem auf größeren Entfernungen zum Motiv gar keine andere Wahl, als mit kleinen Blenden zu arbeiten, deren hyperfokale Entfernung sowieso den gesamten Bildbereich abdeckt; 20mm Brennweite besitzen bereits eine sehr große Tiefenschärfe. Close Range Correction (CRC) besitzt dieses 20mm (im Vergleich zu seinem Nachfolger) noch nicht, der Mindestaufnahmeabstand beträgt 30cm.
Mein Exemplar (ich hatte länger nach einer möglichst hohen Seriennummer gesucht) befindet sich in einem tadellosen, praktisch neuwertigen Zustand. Die Linsen sind, bis auf den alterstypischen Mikrostaub, frei von Pilz, Nebel, Beschlag oder gar Beschädigungen, das Bajonett sieht aus, als wäre das Objektiv nie montiert gewesen. Insofern die besten Voraussetzungen für einen möglichst aussagekräftigen Praxistest.
Blendenlamellen






Unschärfe-Bokeh







Schärfe
Wie üblich meine Tests zur Bildqualität auf unterschiedliche Entfernungen, von ganz nah bis weit weg.
Close-Up
Zu Beginn an der Naheinstellgrenze von 30cm. Alle Aufnahmen an der Nikon D810 auf Stativ, und aus dem Original von 7360 x 4912 Pixel dann jeweils ein Ausschnitt aus der ungefähren Bildmitte bei 100% Vergrößerung.
Offenblende ist noch weich, die Steigerung der Schärfe erreicht bei Blende 8 ihr Optimum, hält sich bis Blende 16 weiterhin ganz gut, und fällt erst mit Blende 22 durch die Beugungsunschärfe auf das Niveau der Offenblende.







Nahbereich
Gleiches Motiv, identische Einstellungen, Format-füllend bereits bei nur 70cm Entfernung zum Motiv.
Ein sehr ähnliches Resultat wie auch schon beim Close-up, Blende 8 ist das Optimum.







Ziemlich erstaunlich ist das Resultat in den Bildecken, denn diese sind bereits bei Offenblende ausreichend scharf. Das Optimum liegt hier bei Blende 11, wobei bis auf die erste und letzte Blendenstufe alle andere als scharf bezeichnet werden können.







Entfernung 100m
Entfernung zum folgenden mittigen Bildausschnitt ca. 100m

Auch wieder ein sehr erstaunliches Resultat! Das Optimum liegt ungefähr bei Blende 8, aber bereits Offenblende ist ausreichend scharf, sogar schärfer als Blende 16, die Steigerung danach nur minimal; einzig Blende 22 ist nicht empfehlenswert.







In den Bildecken ist das Resultat ein wenig ernüchternder, jedoch keineswegs schlecht für ein altes Superweitwinkel. Das Optimum liegt bei Blende 11, und ist wirklich scharf, Blende 8 und 16 jedoch ebenso gut nutzbar.







Die Entfernung ist hier eine ähnliche, liegt etwas über 100m, das Motiv dient lediglich zur Bestätigung der vorangegangenen Ergebnisse.








Zusammenfassung
Das Objektiv eignet sich bezüglich Schärfe sowohl für Aufnahmen im Nahbereich als auch auf größere Entfernungen. Die Optimale Blende liegt, je nach Entfernung bei Blende 8 (Bildmitte) oder 11 (Bildecken).
Bildfeldwölbung
Seine kissenförmige Verzeichnung ist, wie bei allen Nikkor 20mm, sehr ausgeprägt, und praktisch die einzig sichtbar störende Eigenschaft. Die knapp 100g schwereren 18mm-Objektive besitzen übrigens weniger Bildverzerrung, dafür jedoch deutlich mehr Randabschattung.
Vignettierung
Die Randabschattung bei Offenblende ist deutlich sichtbar, verringert sich etwas zu Blende 4, bleibt noch minimal bei Blende 5.6, und ist mit Blende 8 gänzlich verschwunden.
Flares
Die Paradedisziplin der kleinen Linse liegt in ihrer enorm starken Unempfindlichkeit gegenüber Gegenlicht. Unter voller Mittagssonne mit dem dunkelsten Vordergrund sind folgende Linsenreflexionen das Maximalste, was ich provozieren konnte; praktisch ein Witz. Kein bis dahin mir bekanntes anderes Superweitwinkelobjektiv ist derart unempfindlich gegenüber Gegenlicht, womit dieses gerade dazu prädestiniert ist, um mit ihm direkt in die Sonne zu fotografieren.
Schnappschüsse
Auf einem kleinen Waldspaziergang konnte ich mir dem 20mm einige Motive einfangen.
Aktuell sprießen die Riesenschirmpilze bei mir wie verrückt, allerdings sind diese aufgrund es Regens auch auch nur sehr kurzlebig, nach 3 Tagen schon wieder verschwunden. Gerade genug Zeit für die ebenfalls zahlreichen Nacktschnecken, sich über sie her zu machen.
Diese Blutrote Heidelibelle habe ich zufällig in meiner Badewanne entdeckt, sofort fotografiert, und umgehend danach aus ihrer tödlichen Situation befreit; sie hat sich im Gras ein paar Minuten lang regeneriert und ist dann wohlauf davon geflogen.
Manchmal sind 20mm Brennweite nicht genug, um das Motiv entsprechend gut einzufangen.
Der erste große Zivilisations- bzw. Architekturtest erfolgte dann bei meiner Stadtführung in Magdeburg, wobei (zum Prüfen der späteren Wildnis-Tauglichkeit) sämtliche Aufnahmen ohne Stativ erstellt wurden. Aufgrund der relativ starken Bildfeldwölbung habe ich diese (und nur die) bei den Architekturaufnahmen ausnahmsweise korrigiert (alle anderen Bilder dieses Beitrags sind wie üblich unbearbeitet).

Mit Zwischenring
Folgende Bilder entstanden Freihand (siehe Belichtungszeiten!) mit dem Zwischenring Nikon PK-11A bei einem Aufnahmeabstand von nur ca. 3cm zum Motiv; die Größe des Originalbilds beträgt 7360 x 4912 Pixel. Das 20mm f3.5 eignet sich mit Zwischenring offensichtlich hervorragend für (teilweise dramatische) Aufnahmen mit extrem Kurzen Entfernungen zum Motiv.
6. Positives
- robuste Bauweise
- sehr hochwertige Verarbeitung
- stimmiges Gesamtdesign
- geschmeidiger Fokus
- genaue Schärfe-Einstellung im Nahbereich bis 2m
- kurze Naheinstellgrenze ermöglicht beeindruckende Perspektiven
- auf kurze Entfernung sehr großer Schärfebereich über fast alle Blendenstufen
- auf größere Entfernung mit einem sehr breiten nutzbaren Blendenbereich
- gute Bildqualität
- scharfe Bildecken auf allen Entfernungen möglich
- unendlich-Fokussierung auf Anschlag
7. Negatives
- vergleichsweise starke Bildfeldwölbung
- relativ kleine Offenblende mit etwas dunklerem Sucher
- nur sehr kurzer Fokus-Drehwinkel bei größeren Entfernungen (Schärfeindikator im Sucher notwendig)
- Gegenlichtblende nur optional, und zudem sehr selten und mittlerweile teuer
8. Fazit
Das Nikkor Ai-S 20mm f3.5 ist eine echte Überraschung, seine Abbildungsleistung auf allen Entfernungen, und dies über einen breiten Blendenbereich sind beeindruckend. In Anbetracht der nur geringen Baugröße ist es ein Superweitwinkelobjektiv mit einem relativ hohen Praxiswert.