Autor: Dominik
Vergleich der beiden letzten manuellen 20mm Nikkor-Superweitwinkelobjektive aus den frühen 80er Jahren, an einer modernen hochauflösenden Spiegelreflexkamera mit 36 Megapixel.
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Video zum Beitrag: https://youtu.be/ZkiU5JM7ArQ
1. Produkt
Weitwinkel-Festbrennweite.
2. Unternehmen
- Nikon Corporation AG (seit 1917), Shinagawa Intercity Tower C, 2-15-3, Konan, Minato-ku, Tokyo 108-6290, Japan
- Made in Japan
3. Kauf
- 05/2023: Ai-S Nikkor 20mm f2.8, 290,-€
- 08/2023: Ai-S Nikkor 20mm f3.5, 250,-€
Weil mir am Ai-S Nikkor 20mm f2.8 der 62mm Filterdurchmesser nicht in mein Sortiment passte, und ich gelesen hatte, dass dessen Vorgänger deutlich weniger empfindlich auf Gegenlicht reagiert, habe ich das 2.8er gegen das ältere 3.5er getauscht. Dieser Beitrag ist ein Vergleich beider Objektive, und zeigt ihre Stärken und Schwächen auf.
4. Spezifikationen
Spezifikation | f3.5 | f2.8 |
---|---|---|
Produktionsjahr | 10/1981 – 09/1984 | 10/1984 – 2005 (2006 – 2020) |
Produktionsvolumen | 28.646 | 72.470 |
Seriennummern | 210001 – 238647 | 200001 – 266369 (300001 – 306103) |
Seriennummer | 234619 | 253579 |
Vorgänger | Ai Nikkor 20mm f3.5 (1977-81) | Ai-S Nikkor 20mm f3.5 |
Nachfolger | Ai-S Nikkor 20mm f2.8 | AF 20mm f2.8 (bis 2014) |
Aufbau | 11 Linsen in 8 Gruppen | 12 Linsen in 9 Gruppen |
Bildwinkel | 94° (93°) | 94° |
Naheinstellgrenze | 30 cm | 25 cm (CRC) |
Abbildungsmaßstab | 1:10,8 | 1:8,3 |
Hyperfokale Entfernung | f5.6, f11, f16, f22 | f5.6, f11, f16, f22 |
Infrarotmarkierung | kleiner roter Punkt auf silbernem Metallring | kleiner roter Punkt auf silbernem Metallring |
Blenden | 7 (f3.5 – f22) | 7 (f2.8 – f22) |
Blendenlamellen | 7 gerade | 7 gerade |
Fokusdrehung | 70° (Vorgänger 100°, Vorvorgänger 140°) | 90° |
Breite Fokusring | 8 mm | 12 mm |
maximaler Fokusweg | 2,2 mm | 6,5mm |
Länge nackt | 40,5 mm | 42,5 mm |
Länge mit Deckeln | 62,5 mm | 68 mm (mit Filter 71mm) |
Durchmesser | 63 mm | 65 mm |
Filtergewinde | 52 mm | 62 mm |
Gegenlichtblende | HK-6 | HK-14 |
Gewicht nackt | 237 g | 260 g |
Gewicht mit Deckeln und Filter | 255 g | 310 g |
Gewicht komplett mit Sonnenblende | 346 g |
5. Praxis
Beide Objektive sind relativ kompakt, wobei das ältere 3.5er nur etwa 20g leichter, und 2mm kleiner im Durchmesser ist. Ganz erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sich im 2.8er eine Linse mehr befindet. Den klaren Vorteil für mich persönlich bietet das 3.5er aufgrund seines 52mm Filterdurchmessers, womit es kompatibel mit den meisten meiner anderen Objektive ist.
Der größte Unterschied in der Bedienung ist ihr Fokusring: 8mm Breite beim 3.5er und 15mm Breite beim 2.8er bzw. 70° vs. 90° Drehwinkel. Der Unterschied von 20° mehr beim 2.8er kommt hauptsächlich durch dessen um 5cm geringere Naheinstellgrenze zustande, ansonsten lassen sich beide gleich gut bedienen, der Fokus läuft seidenweich.
Unschärfe-Bokeh
94° Bildwinkel machen das Freistellen eines Motivs nicht gerade leicht; Entfernung zum Baum ca. 35cm. Zuerst das 20mm f3.5, dann das 20mm f2.8.
Schärfe
Close-Up f3.5
Naheinstellgrenze 30cm, Aufnahmen an der Nikon D810 auf Stativ, im Originalformat von 7360 x 4912 Pixel, dann jeweils ein Ausschnitt aus der Bildmitte bei 100% Vergrößerung.
Close-Up f2.8
Close-Up Vergleich
Aufgrund der um 5cm unterschiedlichen Aufnahmeentfernungen sind natürlich auch die Bildausschnitte unterschiedlich. Die 2.8er Offenblende ist offensichtlich etwas weicher als die 3.5er, anonsten sind beide Objektive nahezu gleich scharf, mit hauchdünnem Vorsprung für das 2.8er.
Nahbereich f3.5
Gleiches Motiv, identische Einstellungen, Format-füllend bereits bei nur 70cm Entfernung.
Bildmitte 100%
Bildecke 100%
Nahbereich f2.8
Bildmitte 100%
Bildecke 100%
Vergleich Bildmitte
Keine Unterschiede erkennbar.
Vergleich Bildecke
Hier gibt es zum ersten Mal einen wirklich herausragenden Unterschied. Bis auf die letzte Blendenstufe f22, wo aufgrund der Beugungsunschärfe praktisch bei gleich unscharf sind, ist das f3.5 dem 2.8 auf jeder anderen Blendenstufe deutlich überlegen. Je größer die Blende, desto größer der Unterschied. Das f2.8 erreicht sein Optimum erst bei Blende 11, was beim 3.5er in etwa der Blende 4 entspricht! Der Preis der höheren Lichtstärke beim 2.8er sind deutlich unschärfere Bildecken.
Entfernung 100m
Anderes Motiv, größere Entfernung, Einstellungen wie zuvor: Nikon D810 auf Stativ, und aus dem Originalbild jeweils die 100%-Ausschnitte aus der Bildmitte (Haus) sowie der linken unteren Bildecke (Wiese).
f3.5 Bildmitte
f3.5 Bildecke
f2.8 Bildmitte
2.8 Bildecke
Vergleich Bildmitte
Wo es im Nahbereich noch keine sichtbaren Unterschiede gab, sind diese auf größere Entfernungen doch sehr klar erkennbar. Das f3.5 bildet mindestens auf den ersten drei Blendenstufen schärfer ab als das f2.8, wobei die Offenblende 3.5 in etwa der Blende 5 beim 2.8er entspricht! Bei kleineren Blenden als 8 sind bei 100% Vergrößerung keine Unterschiede mehr erkennbar.
Vergleich Bildecke
Wie auch schon im Nahbereich unterliegt das lichtstärkere 2.8 seinem Vorgänger in praktisch jeder Blendenstufe. Das 3.5er Optimum wird bei Blende 11, das 2.8er Optimum bei Blende 16 erreicht.
Entfernung 150m
Dieser Test mit anderem Motiv dient nur der Verifizierung des vorherigen bei ähnlicher Entfernung.
f3.5 Bildmitte
f2.8 Bildmitte
Vergleich Bildmitte
Zusammenfassung
Auf sehr kurze Entfernung bilden beide Objektive in der Bildmitte gleich scharf ab, in den Bildecken jedoch unterliegt das lichtstärkere 2.8er seinem älteren Vorgänger. Auf größere Entfernung gewinnt das 3.5er dann auch noch in der Bildmitte; in den Bildecken hält es seinen Vorsprung. Bildqualität, Farb- und Kontrastwiedergabe sind bei beiden Objektiven identisch, das 3.5er jedoch ist die eindeutig schärfere Optik.
Vignettierung
Bei beiden Objektiven ist die Randabschattung praktisch gleich. Bei Offenblende stark zu sehen, abblenden auf f4 zeigt deutliche Verbesserung, bei Blende 5.6 ist sie nur noch minimal, und bei Blende 8 gänzlich verschwunden.
Flares
Unter anderem der Grund,warum ich das 2.8er gegen das 3.5er getauscht habe, ist das Verhalten bei starkem Gegenlicht. Der Unterschied könnte klarer nicht zu erkennen sein: trotz voller Mittagssonne erscheinen beim 3.5er nur geringe Geisterbilder der Grundfarbe Blau, während das 2.8er gleich mit einer ganzen Reihe unterschiedlichster Bildfehler in sämtlichen Farben auffährt, besonders hervorzuheben ist hier rot.
Bei dieser Bildreihe stellte sich auch heraus, dass das 2.8er einen minimal größeren Bildwinkel besitzt, das 3.5er also womöglich keine 94° sondern vielleicht nur 93°.
6. Zusammenfassung
- Beide Objektive sind gleich hochwertig verarbeitet, robust aufgebaut, und lassen sich gleich gut bedienen.
- Das 2.8er ist um eine Blendenstufe lichtstäker, damit auch das Bild im Sucher der Kamera etwas heller.
- Auf kurze Entfernung zum Motiv bilden beide Objektive in der Bildmitte gleich scharf ab, das 3.5er jedoch auf allen Blendenstufen deutlich schärfer in den Bildecken als das 2.8er.
- Auf große Entfernung bildet das 3.5er auf nahezu allen Blendenstufen in allen Bildbereichen schärfer als das 2.8er ab.
- Beide Objektive zeigen identische Randabschattungen in den ersten drei Blendenstufen.
- Beide Objektive besitzen eine gleich erkennbar starke Bildfeldwölbung.
- Das 3.5er ist deutlich weniger Gegenlicht-empfindlich als das schnell zu Reflexionen neigende 2.8er.
- Beide Objektive verfügen über keine integrierte Sonnenblende, beide Blenden sind im Bedarfsfall sehr teuer weil selten, wobei mindestens das 3.5er praktisch keine benötigt.
7. Fazit
Bis auf die höhere Lichtstärke des 2.8ers, welche ihren Vorteil eigentlich nur bei Videos unter schwachem Licht, sowie eher seltenem Freistellen auf Naheinstellgrenze zeigt (unschärfer auf Entfernung), ist das 3.5er in allen anderen Punkten das eindeutig bessere Objektiv. Dieser Vergleich ist ein gutes Beispiel dafür, dass Lichtstärke nicht alles, und nicht selten vor allem auch eine Marketingstrategie der Fotoindustrie ist.