Autor: Dominik
Das Ai-S Nikkor 180mm f2.8 ED gehört zu den schärfsten jemals von Nikon gebauten Objektiven, und kann selbst an einer hochauflösenden Nikon D810 mit 36MP bei modernen hochwertigen Objektiven mithalten.
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1. Produkt
Tele-Festbrennweite.
2. Unternehmen
- Nikon Corporation AG (seit 1917), Shinagawa Intercity Tower C, 2-15-3, Konan, Minato-ku, Tokyo 108-6290, Japan
- Made in Japan
3. Kauf
- 06/2023: 264,-€ + 85,-€ Einfuhrabgaben = 349,-€ (Neupreis in den 80er Jahren: 1.150,-€)
Dieses Objektiv stand bereits seit vielen Jahren auf meinem Wunschzettel, und immer wieder fiel es nur aus einem einzigen Grund herunter: Gewicht. Der Nachfolger AF 180mm 2.8 D IF ED, welchen ich 2015 einmal besaß, hatte mir bereits bewiesen, dass es eine extrem scharfe Optik war. Zusätzlich haben mich hier die wunderschönen Lichtstrahlen begeistert, welche durch die 9 geraden Blendenlamellen enstanden. An diesem Modell hatte mich jedoch die AF-Umschalt-Funktion, und die vergleichsweise billige Plastik-Haptik so sehr gestört, dass ich mich wieder davon getrennt hatte; außerdem empfand ich zu diesem Zeitpunkt auch meine Zoom-Objektive praktischer.
Im Zuge meiner Umstellung auf alte Festbrennweiten, fielen mir bei den Tele-Brennweiten die 180mm wieder als erstes mit in den Sinn. Weil ich jedoch ein möglichst kompaktes Objektiv haben wollte, welches ich unterwegs gut transportieren konnte, gab ich dem Ai-S 200mm f4 den Vorzug. Auch wenn dieses dann meine Kriterien in Bezug auf Gewicht und Größe erfüllte (560g), war ich (im Vergleich) mit der optischen Leistung nicht ganz so zufrieden. Damit lag dann auf der Hand, dass ich das 180mm doch wenigstens einmal vergleichen wollte; diesmal natürlich in der manuellen Version.
In Europa wirklich gute Exemplare (auch allgemein manueller Objektive) zu finden, ist praktisch aussichtslos, dafür existieren in Japan um so mehr davon. Bei einem wirklich sehr guten Angebot, das ich bereits länger in Beobachtung hatte, schlug ich dann zu. Der aufgerufene Preis von $266 war insofern ungewöhnlich, weil viele andere deutlich ältere Exemplare parallel für mehr angeboten wurden, und dieses Objektiv laut Beschreibung neuwertig (mint) war; zusätzlich sogar mit ebenso neuwertigem UV-Filter. Bereits nach 2 Tagen kam das Paket aus Tokyo bei mir an, und dies bei nur $20€ Versand (normalerweise bezahle ich für einfachen Service das Doppelte). Die nächste Überraschung ereilte mich dann beim Auspacken: der Verkäufer hatte ein persönliches Origami mit dazu gelegt…um so persönlicher fiel dann natürlich auch meine entsprechende ebay-Bewertung aus:-)
4. Spezifikationen
- Modellbezeichnung: Nikon Ai-S Nikkor 180mm f2.8 ED
- Produktionsjahr: 03/1981 – 2005
- Serien-Nummer: 380001 – 454048 (450261)
- Produktionsvolumen: 74.047
- Vorgänger: Ai Nikkor 180mm f2.8 (1977 – 10/1981)
- Nachfolger: AF 180mm f2.8 IF ED (3 Varianten: 1986-87, 1987-95, 1994-2020)
- Gehäuse: komplett Metall, Gummi-Fokus-Ring
- optischer Aufbau: 5 Linsen in 5 Gruppen (Frontlinse ED-Glas)
- Brennweite: 180mm, fest
- Bildwinkel: 13°40′
- Naheinstellgrenze: 180cm
- Abbildungsmaßstab: 1:7,5
- Hyperfokale Entfernung: f11, f22, f32
- Infrarotmarkierung: kleiner roter Punkt auf silbernem Metallring
- Blende: f2.8 – f32
- Blendenlamellen: 9 gerade
- Blendenring: präziser Gang, hartes Klicken, klares metallisches Geräusch
- Fokus-Drehung: 190° (Vorgänger 170), weich, sehr geschmeidig
- Breite Fokusring: 30mm
- maximaler Fokusweg: 24mm
- Frontelement beim Fokussieren: fest
- Länge nackt: 130mm
- Länge mit Deckeln: 151mm (mit Filter 156mm)
- Länge mit Gegenlichtblende: 175mm
- Durchmesser: 78,5mm
- Filtergewinde: 72mm
- Gegenlichtblende: integriert
- Gewicht nackt: 802g (=Herstellerangabe)
- Gewicht komplett mit Deckeln und Filter: 860g
5. Praxis
Das 180mm f2.8 macht einen Ai-S-typisch hochwertigen Eindruck, durch sein Gewicht, und das umlaufende goldene ED-Band aus 14 Karat wird diese Hochwertigkeit nochmals gesteigert.
Der Fokusring ist sehr breit, und der silberne Montagering ist der griffigste aller meiner Ai-S Objektive überhaupt, er steht am meisten über das Gehäuse hervor.
Um den Einfluss der Temperatur bei ED-Linsenelement zu berücksichtigen, ist der Fokusanschlag leider nicht unendlich, was das genaue Fokussieren bei unendlich schwierig machen kann (Bildschirmlupe hilft).
Besonders auch aufgrund des praktisch Neu-Zustands wirkt das Frontelement einfach perfekt.
Und aufgrund des relativ einfachen Aufbaus von nur 5 Linsen, lässt sich auch sehr gut ins Objektiv zu den 9 geraden Blendenlamellen hinein schauen.
Selbst an der Nikon D810 macht das 180mm immer noch ordentlich was her; wobei es allerdings weder größer noch schwerer als ein AF-S Nikkor 24-70mm ist.
Wie bei allen meinen Objektiven üblich, habe ich auch dieses mit einem klaren Schutzfilter ausgestattet. Umwelteinflüsse führen regelmäßig zu einer verdreckten Frontlinse (Regentropfen, Blütenpollen, klebrige Pflanzensäfte, Staub, Insekten, usw.), und mit Filter kann ich das Frontelement einfach schonender sauber halten.
Blendenlamellen
9 gerade Blendenlamellen erzeugen 19 wunderschöne Sonnenstrahlen.








Unschärfe-Bokeh
Mit den ersten zwei bis drei großen Blenden lässt sich das Hauptmotiv wunderbar freistellen, die Hintergrundunschärfe ist sehr natürlich.








Schärfe
Sein Ruf eilt dem 180mm bereits voraus, und von einem der schärfsten Nikkor-Objektive aller Zeiten, darf man auch etwas außerordentliches erwarten! Um bei 180mm Freihand immer scharfe Bilder zu erzeugen, benötigt man schon 1/400-1/500s Belichtungszeit; zum Glück ist Offenblende bereits scharf genug.
Close-Up
Zu Beginn an der Naheinstellgrenze von 180cm (der AF-Nachfolger hatte damals 150cm). Alle Aufnahmen an der Nikon D810, auf Stativ, mit Kabelfernauslöser, aber noch ohne Spiegelvorauslösung. Aus dem Original von 7360 x 4912 Pixel dann jeweils ein Ausschnitt aus der Bildmitte bei 100% Vergrößerung.
Schärfste ist Blende 11, gefolgt von 8, 16, 5.6, 22, 4, 32, 2.8 – eine ganz interessante Wechsel-Folge.
















Nahbereich
Gleiches Motiv, identische Einstellungen, Format-füllend bei ca. 8m Entfernung.

In der Bildmitte sind Blende 8 und 11 die schärfsten, wobei der Abfall zu Blende 16 (fast so scharf wie f11) minimaler ist als zu Blende 5.6. Ansonsten sind alle größeren Blenden, d.h. 5.6, 4, 2.8 praktisch gleich scharf, einen weiteren Abfall gibt es erst wieder zu Blende 22, wobei auch dieses Ergebnis noch ok ist. Erst bei Blende 32 ist die Beugungsunschärfe sichbar. Die Schärfe von oben nach unten: 11, 8, 16, 5.6, 4, 2.8, 22, 32.








Schärfe-Reihenfolge in den Bildecken: Blende 11, 16 (beide praktisch gleich), 8, 22, 5.6, 4, 2.8, 32.








Entfernung 150m
Anderes Motiv, größere Entfernung, kurz vor Sonnenuntergang 21:15Uhr, Einstellungen wie zuvor: Nikon D810, auf Stativ, mit Kabelfernauslöser, und diesmal auch Spiegelvorauslösung. In einem vorherigen Versuch ohne MUP kam es einen Tag vorher ab 1/60s Belichtungszeit bei Blende 16 und abwärts folgend zu starken Bildverwackelungen (ähnlich beim 1,6kg schweren AF-S Nikkor 70-200mm f2.8). Das 500g leichte Ai-S 200mm f4 verursachte dieses Problem noch nicht. Aus dem Originalbild jeweils die 100%-Ausschnitte aus der Bildmitte (Schornstein) sowie der linken unteren Bildecke (Wiese). Zur Veranschaulichung der herausragenden Bildqualität hier einmal Blende 2.8 neben Blende 8 – es gibt praktisch keinen Unterschied!
Zwischen Blende 4, 5.6 und 8 kann ich keinen Unterschied erkennen, alle drei sind hervorragend scharf. Blende 11 fällt nur minimal ab (fast nicht zu sehen), Blende 16 nochmal um das selbe geringe Maß, die sich dann mit Blende 2.8 den dritten Platz teilt. Blende 22 ist sichtbar unschärfer, aber gerade noch ok. Erst Blende 32 würde ich als als unscharf und nicht mehr nutzbar bezeichnen. Schärfe-Reihenfolge: 4 + 5.6 + 8, 11, 16 + 2.8, 22, 32.








Schärfe-Reihenfolge in den Bildecken: Blende 11, 16, 8, 22, 5.6, 4, 2.8, 32. Kommt irgendwie bekannt vor, und richtig, es ist genau die selbe Wechsel-Reihenfolge wie bei Naheinstelgrenze!








Unendlich
Das Dorf liegt in ungefähr 3km Entfernung, der Fokus auf der Kirche. Aus dem Originalbild 7360 x 4912 Pixel jeweils die 100% Vergrößerung. Alle Aufnahmen auf Stativ, mit Kabelfernauslöser, Spiegelvorauslösung und bei ISO100. Gleichzeitig dienen die ersten beiden Bilder (beide bei Blende 4) dem Vergleich ohne/mit Kenko-UV-Filter –> wie man gut sehen kann, hat dieser absolut keinen Einfluss auf die Bildqualität, weshalb ich diesen auch montiert lasse. Nichts desto trotz finden alle weiteren Aufnahmen ohne den Filter statt.
Offenblende ergibt bereits eine gute Schärfe, die Steigerung über Blende 4 bis zum Optimum bei Blende 5.6 ist sichtbar, aber jeweils nur marginal. Diese Schärfe hält an bis Blende 8, fällt zu Blende 11 nur unwesentlich ab, bei Blende 16 dann sichtbar (entspricht ungefähr Blende 2.8), Blende 22 deutlich, und Blende 32 darf als unscharf bezeichnet werden. Schärfe-Reihenfolge: f5.6 + f8, f4, f2.8 + f11, f16, f22, f32.








Zusammenfassung
Schärfe-Reihenfolge je nach Entfernung wie folgt:
- 180cm: 11, 8, 16, 5.6, 22, 4, 32, 2.8 (Bildmitte)
- 8m: 11, 8, 16, 5.6, 4, 2.8, 22, 32 (Bildmitte) bzw. 11 + 16, 8, 22, 5.6, 4, 2.8, 32 (Bildecken)
- 150m: 4 + 5.6 + 8, 11, 16 + 2.8, 22, 32 (Bildmitte) bzw. 11, 16, 8, 22, 5.6, 4, 2.8, 32 (Bildecken)
- 3km: 5.6 + 8, 4, 2.8 + 11, 16, 22, 32 (Bildmitte)
Im äußersten Nahbereich ist Blende 11 die schärfste, auf größere Entfernung Blende 5.6. Das Erstaunliche ist die bereits hohe Anfangsschärfe bei Offenblende, womit sich das Objektiv sehr gut für schlechtere Lichtverhältnisse oder aber verhältnismäßig kurze Belichtungszeiten (Freihand) eignet.
Vergleich 200mm
Einen Vergleich des Ai-S 180mm f2.8 ED mit dem Ai-S 200mm f4 und dem AF-S 70-200mm f2.8 ED VR II habe ich hier vollzogen.
Fokus unendlich
Als einziges meiner manuellen Nikkor-Objektive liegt der Fokus für unendlich ca. 4mm vor dem Endanschlag; dreht man bis zum Anschlag darüber hinaus, wird das Bild erheblich unscharf. Als Grund gibt Nikon die Berücksichtigung der Temperatur auf das ED-Linsenelement an. Dieser Umstand macht das Fokussieren auf große Entfernung entsprechend schwieriger, bei modernen Kameras hilft ggf. zusätzlich die digitale Bildschirmlupe.
Flares
Unter normalen Umständen würde ich dem Ai-S 180mm f2.8 ED eine durchschnittliche bis geringe Anfälligkeit für Gegenlicht attestieren. Zum eines ist es schon ziemlich schwierig, 180mm direkt in die Sonne zu halten, und tut man dies bei kleinster Blende dennoch, kommt es wohl eher auf die Bildwirkung als auf irgendwelche Details im Bild an, welche von Linsenreflexionen unschön überdeckt werden könnten. Als sinnvolle Motive fallen mit praktisch nur Sonnenauf- und Untergänge an weiten Horizonten wie im Gebirge oder am Meer ein. Auch ohne diese Panoramen habe ich bei mir vor der Hütte mein Bestes gegeben, und die schlimmsten Bilder ausgewählt. Die Verwendung eines Stativs war leider nicht möglich, da die Sonne ihre Position hinter den Bäumen zu schnell verändert hat; kaum war das Stativ auf richtiger Höhe eingestellt, waren die Flares auch schon nicht mehr zu sehen. Daher betone ich es noch einmal: die Aufnahmen sind Freihand, und zeigen die schlechtesten Resultate, die ich aus über 30 Bildern bekommen habe.
Schnappschüsse

Mit Zwischenring PN-11
In einem intensiven Vergleich aller meiner Objektive mit sämtlichen Zwischenringen, hatte ich auch die Möglichkeit des PN-11 am Nikkor 180mm f2.8 ED vorgestellt, wie aber auch den Nachteilen dieser Kombination. Einzig aufgrund des vorgegebenen Aufnahmeabstandes (Zaun wischen Motiv und mir), habe ich das 180mm gewählt, ansonsten wäre mir das 105mm lieber gewesen. Warum sieht man bei genauer Betrachtung der Bilder, sie sind leider unscharf.
Weil es sich hier um das deutlich scheuere Weibchen meines Zauneidechsen-Paares handelt, konnte ich mir keine Zeit für ein Stativ nehmen, und habe mein Glück Freihand versucht. Auch wenn mich die Dame bereits kennt (siehe ihr Blick), und ich immer sehr vorsichtig in ihrer Nähe bin, gehöre ich offensichtlich dennoch nicht zu ihrem Freundeskreis; ein paar Sekunden nach diesen Bildern war sie wieder in ihrem Haus verschwunden.
6. Positives
- robuste Bauweise
- sehr hochwertige Verarbeitung
- geschmeidiger Fokus
- herausragende Schärfe
- sehr gute Bildqualität
- Offenblende voll nutzbar
- praktisch keine Verzerrung
- nur wenig Vignettierung bei Offenblende (verschwunden bei f4)
- bis 10m Entfernung gute Schärfeeinstellung
- gute Griffigkeit des silbernen Ringes
- integrierte Gegenlichtblende
7. Negatives
- relativ schwer
- beim Fokussieren auf nah durch ausfahrenden Tubus sehr kopflastig
- Fokus-Anschlag ist nicht unendlich (schwierig vor allem bei Nachtaufnahmen)
- Gegenlichtblende erscheint ein wenig zu kurz, und bleibt in ausgefahrener Position auch nicht fest (Abhilfe durch zusätzliches Polster möglich, oder feste Gegenlichtblende z.B. HN-20?)
8. Fazit
Das Nikkor Ai-S 180mm f2.8 ED ist eines der besten jemals von Nikon gebauten Objektive! Sowohl bei der Schärfe als auch Bildqualität kann es mit modernen anderen hochwertigen Objektiven locker mithalten, und verweist diese spätestens mit seiner tadellos robusten Verarbeitungsqualität auf ihre Plätze. Nach dem ich auch den Nachfolger mit Autofokus im Plaste-Gehäuse besaß, steht für mich zweifelsfrei fest, dass es sich bei diesem manuellen Objektiv um die bessere Variante handelt. Das Gewicht ist nicht ohne, die Haptik jedoch einwandfrei, und mindestens die Bildqualität entschädigt für alle Mühen. Eine Wahnsinns-Linse, klare Kaufempfehlung, auch für alle Nicht-Nikon-Besitzer!