Autor: Dominik
Mein Anspruch für diesen Bericht war es, den informativsten zu erstellen, den es zur legendären Magura Gustav M weltweit überhaupt gibt; allein schon für ihre angemessene Würdigung. Neben detaillierten technischen Daten zur Bremse selbst, enthält diese Ausarbeitung auch allgemeine Merkmale leistungsstarker Bremsanlagen, historische Informationen zum Unternehmen Magura, Tuning-Optionen der Gustav M, als auch Vergleiche zu anderen Bremsen, inklusive dem aktuell vermeintlichen Nachfolger Gustav Pro.
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1. Bremsleistung
Für eine maximale Bremsleistung gelten folgende Kriterien:
- im Durchmesser größtmögliche Bremsscheiben (Hebelkraft), aus hochwertig vergütetem Stahl
- maximal dicke Bremsscheiben (wegen Verzug mind. 2mm), mit homogenen Löchern (Standfestigkeit und Haltbarkeit)
- Reibfläche der Bremsscheibe breit genug für die Beläge (maximale Reibung)
- größtmögliche Bremsbeläge (Bremskraft, Standfestigkeit, Haltbarkeit)
- Bremssättel mit größtmöglicher Kolbenfläche pro Bremsbelagseite
- größtmögliche in einer Richtung drückende Nehmerkolben im Bremssattel (Bremskraft), aus Hitze-isolierendem Material (Standfestigkeit)
- kleinstmöglicher Geberkolben im Bremsgriff (Dosierbarkeit)
- größtmögliche Übersetzung des Bremshebels (Hebelkraft durch Hebellänge und/oder Wegverkürzungen)
Und natürlich ein Fahrrad, dessen möglichst haltbare Bauteile, mit all diesen Komponenten nicht überfordert sind (Rahmen und Gabel). Wobei ich es bezüglich der Materialstärke für äußerst bedenklich halte, wenn der Hinterbau oder eine Gabelaufnahme bricht, nur weil die Bremskraft “zu hoch” gewesen ist; man stelle sich so etwas mal bei einem Auto vor! Bei den damaligen Stahlrahmen noch undenkbar, werden Aluminium und Kohlefaser mehr und mehr zu Gunsten des Gewichts gefährlich dünn produziert, was immer wieder zu Rahmenbrüchen führte, und die Bremse eigentlich nicht zu stark ausfallen lassen sollte; so paradox dies auch klingen mag.
Übersetzung
Das Gesamtübersetzungsverhältnis einer Bremsanlage ergibt sich aus der mechanischen Hebelübersetzung am Griffende (ca. 6:1), und der hydraulischen Übersetzung, d.h. dem Verhältnis von Geber- und Nehmerkolben. Je größer das Übersetzungsverhältnis, desto höher auch die Bremskraft. Mit einem kleineren Geberkolben liegt an der Bremsleitung mehr Druck an, als mit einem größeren Kolben, und mit einem größeren Nehmerkolben ein höherer Druck auf den Bremsbelägen. Weil durch einen kleineren Geberkolben allerdings auch weniger Flüssigkeit transportiert wird, und durch zu wenig Flüssigkeitstransport wiederum die Bremsbelag-Rückstellung nicht mehr ausreichend funktionieren würde, darf dieser Kolben nicht zu klein wählen (minimal 9-10mm). Es ist also eine Gratwanderung zwischen maximaler Leistung und drohendem Totalausfall, wobei hier, trotz spürbarer Unterschiede, üblicherweise zu Gunsten der Sicherheit entscheiden wird.
2. Bremssättel
Fest- und Schwimmsattel
Scheibenbremsanlagen können mit Festsattel, Schwimmrahmen (Schwimmsattel) und Faustsattel ausgestattet sein. In einem feststehenden Sattel, der einfachsten Variante, drücken die gegenüberliegenden Kolben (zwei, vier oder sechs) die Bremsbeläge von beiden Seiten gegen die Scheibe. Ist dieser Sattel nicht aus einem Stück gefertigt, kommen verschleißanfällige Dichtungen für die Bremsflüssigkeit hinzu, welche sich durch die Umleitung zur anderen Seite auch noch unnötig stark erhitzen kann. Außerdem neigen die Kolben bauartbedingt eher zum Kippen und Festgehen, halten also nicht so lange.
Bei einem verschiebbaren Faust- und Schwimmsattel drückt der Kolben den Bremsbelag gegen die Bremsscheibe, verschiebt dadurch den Sattel, und drückt damit den gegenüberliegenden Belag ebenfalls gegen die Scheibe. Je mehr der Bremsdruck erhöht wird, umso mehr (exponentiell) erhöht sich auch die Bremskraft, weil sich der Anpressdruck durch die schwimmende Lagerung gegenseitig verstärkt bzw. abstützt. Länge Kolben eines Schwimmsattels können sich besser im Gehäuse abstützen, neigen also weniger zum Kippen, und halten dementsprechend läger. Zudem bietet die schwimmende Lagerung des Sattels der Bremsscheibe Raum zur Hitze-bedingten Ausdehnung, und es wird nicht unnötig viel Bremsflüssigkeit im Sattel selbst erhitzt.
Rückstellung
Das Lüftspiel des Bremskolbens (Kraft des Kolbendichtringes), die Spreizfeder der Beläge, sowie die Rotation der Bremsscheibe sorgen dafür, dass die Beläge wieder in ihre Ausgangspostion zurück kehren. Gibt es hier ein Problem, oder befindet sich (z.B. durch Wasser) Schmutz zwischen Belag und Scheibe, entsteht das bekannten Bremsenquitschen.
Konstruktionsbedingt neigt ein Schwimmsattel mehr zum Quitschen als ein Festsattel, weil hier nicht nur die Beläge selbst, sondern auch der halbe Sattel zurückgestellt werden muss. Im Kfz-Bereich geschieht dies mit Hilfe von dehnbaren Gummidichtungen, welche die Gustav M jedoch nicht besitzt. Außerdem sind die Fliehkräfte bzw. die Rotationsgeschwindigkeit der Bremsscheibe bei Fahrrädern natürlich deutlich geringer. Deshalb quitscht die Gustl immer mal wieder.
3. Magura Gustav M
Entgegen aller anderen (!) hydraulischen Fahrradbremsanlagen mit Festsätteln, besitzt die Magura Gustav M Schwimmsättel, deren großer Vorteil die nahezu vollständige Wartungsfreiheit, sowie eine zuverlässige Funktion und maximal lange Lebensdauer, selbst unter widrigen Bedingungen, sind. Und weil dieses Konzept direkt aus dem Motorrad übernommen wurde, kommt auch eine für Fahrräder einzigartig hohe Leistung hinzu; Eignung: Downhill, Tandem und Anhänger.
- Die bauartbedingt langen Kolben (aufgrund des Schwimmsattels länger als alle anderen) aus Phenolharz neigen weniger zum Verkanten, sind deutlich hitzebeständiger und rosten nicht, was ihre Lebensdauer erhöht.
- Die Bremsflüssigkeit (hier: Mineralöl statt Polyglykol) muss nicht durch den Sattel um die heiße Bremsscheibe herum geleitet werden (wie bei Festsätteln), was die Temperatur des Sattels nicht unnötig erhöht, es also weniger zur Überhitzung kommt.
- Da sich die Bremskraft vor allem aus der Fläche der Nehmerkolben ergibt, welche in die selbe Richtung drücken (und nicht etwa die Gesamtfläche aller gegenüberstehenden Kolben!), erzeugt die Gustav M mit ihren großen 2x18mm Kolben (und 10,5mm Geberkolben), und dem dazu passenden einzigartig großen Bremsbelag, einen enormen Bremsdruck.
Konstruktionsbedingt bringt diese Bremse allerdings auch einige charakteristische Nachteile mit sich:
- der lange Bremsbelag neigt zum in der Längsachse leicht schrägen Abnutzen, sowie auch zu mehr Quitschen (Merkmal eines jeden Schwimmsattel, auch im Kfz)
- die Schwimmsättel benötigen, entsprechend der Rahmenaufnahme, spezielle Sattelhalter, können also nicht direkt montiert werden
- durch den großen Sattel und den zusätzlichen Sattelhalter ist die Bremse schwerer als Festsattel-Bremsanlagen
Gewichte
Bauteil | Gewicht |
---|---|
Bremshebel | 154 g |
Bremssattel | 138 g |
Bremsbeläge | 35 g (Paar) |
2x Bremshebel + 2x Bremssättel mit Belägen + Stahlflexleitungen (vorn + hinten) | ca. 800 g |
Bremsscheibe 190 x 2,0mm kreisrund | 210 g |
Bremsscheibe 190 x 1,9mm Storm | 190 g |
Bremsscheibe 210 x 2,0mm kreisrund | 250 g |
Bremsscheibe 210 x 1,9mm Storm | 230 g |
2x Sattelhalter | ca. 100 g (Paar) |
Gesamtgewicht mit Bremsscheiben 190 + 210mm kreisrund | ca. 1.350 g (fahrbereit) |
4. Unternehmen
- MAGURA, Gustav Magenwirth GmbH & Co. KG (seit 1893), Stuttgarter Straße 48, 72574 Bad Urach (übergeordnete Holding ist die Magenwirth Technologies GmbH)
- Made in Germany (nur Gustav M! MT2, MT4, MT5 sind Made in Taiwan)
Der Name MAGURA, ein Akronym, setzt sich zusammen aus dem Nachnamen des Unternehmensgründers “MAGenwirth” und “URAch”, seiner Heimatstadt in der schwäbischen Alb. Das Unternehmslogo zeigt eine Zahnstange, bzw. den vom Gründer 1923 erfundenen Geradzug-Regulierhebel (gebogener Zahnstangengriff) für BMW-Motorräder.
Im Laufe der Jahre wurde die Unternehmensausteilung internationaler, und auch das Logo hat sich zwischenzeitlich mehrfach geändert (1932 schwarz-weiss geschwungen mit 9 Zähnen, 1960 etwas gerader mit 5 Zähnen, 1996 perspektivisch dynamischer, 2010 Logo mit nur noch drei Zähnen außerhalb des geraden Schriftzuges).
Entwicklung
Gustav Magenwirth war ein Tüftler und Denker, und als über 130-jähriges Familien-Traditionsunternehmen ist Magura verantwortlich für viele Innovationen, und hält zahlreiche Patente. Mit der Hydro-Stop (HS) entwickelte Magura 1987 die weltweit erste hydraulische Felgenbremse (heutiges Topmodell: HS33), und 1996 mit der Gustav M, einer verkleinerten Motorradbremse, die erste hydraulische Scheibenbremse für Fahrräder.
Die Gustav M war, zur Einführung noch mit geschlossener aufgenieteter Bremsscheibe, die Fahrradbremse mit der damals höchsten Bremskraft auf dem Markt. Und auch 28 Jahre später gilt sie immer noch als Referenz, und ist nach wie vor die weltweit stärkste sowie auch einzige Schwimmsattel-Scheibenbremsanlage.
Namensgebung
Der Name “Gustav” steht für das im Unternehmen jeweils innovativste und leistungsstärkste Produkt, das die Gustav M zweifelsfrei war. Die nach ihr folgenden Zweikolben-Festsattelbremsen Louise (Luise Magenwirth, Frau von Gustav Magenwirth), Julie (Julie Auch, Tochter), Clara (Klara Munz, Tochter) und Marta (Martha Munz-Magenwirth, Tochter), wurden alle nach den Familienmitgliedern des Unternehmensgründers benannt.
Produktionsende
Seit dem das Unternehmen ab 1957 zunehmend Kunststoffe hergestellt, und 2010 die Carbonfaser Carbotecture entwickelt hat, war neben einem Haufen Plastik offensichtlich kein Platz mehr für die nahezu ausschließlich aus robustem Metall bestehende Gustav M. Nach 15 Jahren wurde die Produktion 2011 eingestellt; die letzten Modelle fanden immer noch einen reißenden Absatz. Nicht nur die Bremsanlage selbst, sondern auch die dafür notwendigen Zubehör- und Verschleißteile wurden ersatzlos aus dem Sortiment verbannt, und damit sämtliche Nutzer einer Gustl kaltherzig im Regen stehen gelassen.
Wie seriös es ist, eine mehrjährige Garantie auf eine Bremse zu geben, jedoch auch gleichzeitig dafür zu sorgen, dass es keine Bremsscheiben mehr gibt, sagt so einiges aus. Speziell auch die Sattelhalter waren plötzlich (und sind nach wie vor) das größte Problem, denn allein durch deren Verbannung, konnten etliche Nutzer eine Gustav M nicht mehr verbauen, z.B. an anderen Fahrrädern, oder grundsätzlich bei einem Gebrauchtkauf. 15 Jahre nach dieser Miesere lassen sich heute 2024 viele der damaligen Beschwerden nicht mehr finden, nur noch in sehr wenigen Foren erhält man einen Eindruck (um 2012), wie sich die Kunden bei dieser Geschäftspolitik gefühlt haben (Zitat: “Magura ist für mich gestorben!”)
Nachfolger MT
Die darauf folgenden Festsattel-Bremsanlagen aus Taiwan (MT5 mit 4 Kolben, MT4 & MT8 mit Zweikolben), sowie auch das Topmodell MT7, besaßen nun Bremshebel aus neu entwickeltem Kunststoff (Carbotecture), waren leichter und günstiger, jedoch nicht mehr so leistungsstark, zuverlässig und haltbar wie die Gustav M. In einigen Berichten wurden sogar Totalausfälle der MT5 beschrieben, zu denen es von Magura nie eine Stellungnahme gab.
Eine Bremse, DAS Sicherheitsbauteil schlechthin, muss ohne Einschränkungen zuverlässig funktionieren, und sollte über jeden Zweifel erhaben sein, andernfalls kann es Leben kosten. Fehlerhafte, und vorher ganz offensichtlich nicht ausreichend lange getestete Produkte auf den Markt zu bringen, ist mehr als nur fragwürdig.
Nachdem Magura 2017 das erste ABS für elektrifizierte Fahrräder entwickelt, und dann ab 2023 mit dem IBS auch mehrheitlich verbaut hat, bin auch ich, als Gegner von umweltschädlichen weil Rohstoff- und Energie-verschwenderischen, sowie auch kurzlebigen E-Bikes, kein Anhänger mehr der einst Traditionsreichen Marke; mit all dem Plaste sowieso nicht mehr.
Kauf
Gebraucht gekauft hatte ich mir die Bremsanlage bereits vor dem Besitz meines Scott Genius 40, an welches ich sie dann im Frühjahr 2017 montiert habe. Zu diesem Zeitpunkt war die Gustl bereits seit 6 Jahren nicht mehr in Produktion, und mit über 12 Jahren auch schon doppelt so alt wie das Fahrrad selbst. Der einwandfreien Funktion tat dies dennoch keinen Abbruch, die Bremse läuft seit der Montage durchgehend perfekt. Und auch mir andere bekannte Gustl-Bremsanlagen verrichten selbst nach über 20 Jahren immer noch zuverlässig ihren Dienst. Keine andere Magura-Fahrradbremsanlage dürfte jemals an diese Qualität, Zuverlässigkeit, und möglicherweise auch Leistung heran kommen.
5. Komponenten
Bremsflüssigkeit
Avid, Sram und Hope verwenden Bremsflüssigkeit auf Polyglykol-Basis (DOT), Magura, Shimano, und mittlerweile auch Trickstuff Mineralöle. Der Vorteil von Mineralöl liegt in der Wartung, der von DOT in der Leistung.
Die übliche DOT-Bremsflüssigkeit besitzt den Vorteil, dass Wasser gebunden wird, und sich somit nicht am tiefsten Punkt der Anlage (Bremssättel) zu Tropfen sammeln, und damit durch Herabsetzung des Siedepunktes die Bremsleistung erheblich beeinträchtigen kann. Leistungsstärkere Bremsanlagen in Kraftfahrzeugen sind, aufgrund ihres Ausgleichsbehälters mit Deckel, offene Systeme, in denen sich Luft sammeln kann, und Metallteile und Dichtungen entsprechend korrodieren können; zudem gibt es viele weitere Bauteile w.z.B. Bremskraftverstärker, ABS und ESP.
Fahrrad-Bremsanlagen hingegen sind geschlossene Systeme, welche unter normalen Umständen keine Luft aus der Umgebung ziehen, den höheren Siedepunkt der DOT-Flüssigkeit nicht benötigen, und wo sich aufgrund der etwas anderen Wartung Lack- und Haut-freundlichere Mineralöle deutlich besser eignen. Allenfalls kann es, durch deren höhere Komprimierbarkeit, zu einem schwammigeren Druckpunkt, sowie auch zu Druckpunktwandern kommen.
Mineralöl | Polyglykol (DOT) |
---|---|
weniger aggressiv auf Lack und Haut, bessere Wartung | höherer Siedepunkt, bessere Leistung |
Dichtungen halten meist länger | niedere Viskosität, besseres Ansprechverhalten im Winter |
offene Gebinde sind lange haltbar, da nicht hygroskopisch | härterer Druckpunkt, da weniger komprimierbar, und weniger Wärmeausdehnung |
weder Fading noch Rost, da Wasser gebunden wird |
Magura benutzt seit 2002 “Royal Blood”, genauer gesagt, blau eingefärbtes Castrol Vitamol V10 bzw. Aral Vitamol, mit einer Viskosität von 10 wt, und einem Siedepunkt von 230°C. Das zuvor grüne “Magura Blood” war noch etwas dickflüssiger.
Bremshebel
An den Bremshebeln sind unschwer die Gene der Motorradbremse zu erkennen. Die massiven Vierfingergriffe aus dickem Aluminium lassen sich auch mit großen Schutzhandschuhen sicher greifen, wobei der Druckpunkt jedoch sehr gewöhnungsbedürftig ist. Über einen langen Hebelweg passiert erst gar nichts bis nicht viel, und dann plötzlich packt der Kolben voll zu; feinfühlig ist anders. Dieser Umstand ist den großen 10,5mm Geber-Kolben geschuldet, welche ja erst einmal bewegt werden müssen; kleinere Kolben hingegen wären feinfühliger im Ansprechverhalten.
So groß wie der Bremshebel, so markant ist auch der oben aufgesetzte Ausgleichsbehälter, Volumen 6ml. Die am Kunststoffdeckel befindliche Gummidichtung war meines Wissens nach nie als Ersatzteil erhältlich, wobei ich allerdings auch noch keine Dichtung verschlissen habe, d.h. alle Deckel noch Dicht sind.
In jedem Bremsgriff eingeprägt ist sein Herstellungsdatum, in meinem Fall besitze ich Griffe aus den Jahren 2003, 2004 und 2007.
Mindestens im Produktionsjahr 2003 gab es zwei verschieden dunkle Beschichtungen der Hebel als auch Sättel, schwarz und eine Art rotbraun.
Bremsleitung
Magura hatte einfache Kunststoffleitungen, sowie auch mit einem Stahlgeflecht umwickelte Leitungen im Angebot. Während bei den Festsattel-Bremsanlagen meist die günstigeren schwarzen Leitungen Verwendung fanden (siehe meine Magura Louise), wurde der Gustav M nicht selten die noch druckfestere Stahlflexleitung spendiert.
Da diese allerdings außen nicht zusätzlich ummantelt waren (für empfindliche Stellen lagen jeweils nur 3 Stück je 10 Zentimeter klare Schrumpfschläuche bei), bestand potentiell die Gefahr von Lackkratzern. Aus diesem Grund habe ich stattdessen lieber zu den Stahlflexleitungen von Goodridge gegriffen, zumal diese zum selben Preis auch noch in verschiedenen Farben erhältlich waren (damals zumindest noch).
Bremssattel
Auf den ersten Blick für eine Fahrradbremse etwas sehr Besonders, sind natürlich die Schwimmsättel. Aber auch deren zwei 18mm große Nehmer-Kolben aus Phenolharz waren ein Novum, denn ihre Wärmeausdehnung ist niedriger als die von Aluminium, im Gegensatz zu Stahl rosten sie nicht, und übertragen auch nur 1/800 deren Hitze. Dauerhaft halten sie Temperaturen bis 260°C, kurzzeitig sogar bis 315°C aus. Die Kolbendichtung im Maß 22 x 18 x 2,54 mm war allerdings, wie auch die Kolben selbst, nie als Ersatzteil erhältlich.
Die hier gezeigten Bremssättel stammen aus den letzten Produktionsjahren, sind also das “neuste” Design. Auch bekannt, weil extrem auffällig, sind die Sättel (und Bremsgriffe) zum 10. Jubiläum “10th anni” in leuchtendem Neongelb (sowie Limited Edition), welche in den späten 90ern der absolut letzte Schrei waren, und heute entsprechend selten sind.
Isolatoren
Zur bestmöglichen Hitzeisolierung zwischen Bremsbelag und Bremskolben, gibt es einsteckbare Isolatoren aus Keramik, welche mit entsprechender Vorsicht behandelt werden sollten. Denn hebelt man beispielsweise die Kolben einseitig mit Gewalt zurück, können die Isolatoren leicht brechen. Während diese damals im Paar 20,-€ neu gekostet haben (0721041), wird ein Set gebrauchter heute teilweise schon für den doppelten Preis gehandelt.
Entlüftungsschrauben
Das neben den Isolatoren, mir einzig bekannte weitere Ersatzteil für die Bremssättel , sind die M6x10mm Entlüftungsschrauben (Magura 0720848), welche jedoch überhaupt keinem Verschleiß unterliegen. Und leider fehlen dann auch ausgerechnet noch die dazu passenden Dichtringe, welche man wiederum durchaus gebrauchen kann.
Bremsbeläge
Die Magura Gustav M Bremsbeläge besitzen eine Reibfläche von 41x15mm, werden durch eine Federspange auseinander gehalten, und mit einem Gewindestift im Bremssattel zentriert; alle Teile gehören zu einem neuen Satz mit Bremsbeläge dazu. Die Montage im Sattel selbst ist sehr einfach, allerdings muss dieser dafür erst demontiert werden, wozu auch der Sattelhalter vom Rahmen entfernt, und hinterher natürlich wieder neu ausgerichtet werden muss; insgesamt also zeitaufwendiger.
Mindestens die alte Spreizklammer sollte dabei immer mit ersetzt werden, wird diese im Lauf der Zeit zusammen gebogen, und verliert damit ihre Rückstellkraft. Die Führungsbolzen (Magura 0720828), welche paradoxerweise auch separat erhältlich sind, können hingegen bedenkenlos mehrfach verwendet werden.
Mir bekannt sind Bremsbeläge aus den Produktionsjahren 2003, 2007, 2012, und 2021 (s.u.) sowie darüber hinaus zahlreiche Beläge anderer Hersteller, welche jedoch meist nicht besser als die originalen sind.
Typischerweise nutzt sich der innere Bremsbelag (gegenüber der Kolben) im Bereich der Bolzenführung etwas eher, und mit einer Höhendifferenz von 0,35mm, auch minimal schräg ab (Hinterrad hinten, Vorderrad unten). Im Vergleich zu Belägen anderer Bremsanlagen ist dies jedoch absolut nichts Ungewöhnliches.
Damals (z.B. 2005) gab es noch eine Auswahl zwei verschiedener Bremsbeläge:
- 1.1 Performance Bremsbelag, für maximale Bremspower
- 1.2 Endurance Bremsbelag, organisch, für extra lange Haltbarkeit
Später allerdings gab es nur noch die 1.2 Endurance. Selbst bin ich die 1.1 Performance nie gefahren, die Erfahrungsberichte anderer Nutzer zeigten jedoch, dass diese zwar maximal gut bremsen, allerdings auch nur sehr kurz hielten (1-2 Tage Bikepark-Rennen).
Bei einem Vergleich von Belägen aus 2012 (in der Magura-typischen Tüten-Verpackung) mit späteren aus 2021 (in einer festen Kunststoffbox) habe ich einen auffälligen Unterschied im Belagmaterial festgestellt. Die alten waren dunkler und mit gröberen Partikeln, die neuen sind heller und feiner. In wie fern sich dies auf Bremsleitung und Haltbarkeit auswirkt, wird sich bei deren späterer Benutzung zeigen.
Bremsenaufnahme
IS2000 – Internationaler Standard
Die Verschraubungen quer zur Fahrtrichtung haben einen Lochabstand von 51mm, Gewinde M6. Weil sie bei Rahmen auf 140mm Bremsscheiben spezifiziert wurden, benötigte man für größere Scheiben Sättel mit entsprechend langen Armen, oder eben passende Adapter. An der Gabel vorn waren 160mm Bremsscheiben Standard, Ausnahmen waren z.B. die FOX 40 die mit direkter 8″-Aufnahme 203mm Bremsscheiben ermöglichte, sowie die Rock Shox Boxxer mit eigenem Befestigungsstandard.
Obwohl es Postmount damals bereits gab, hatte man versucht, IS2000 als Standard durchzusetzen. Tatsächlich jedoch verdrängte Postmount IS2000 immer mehr, anfangs nur bei Gabeln, später dann sogar auch bei Rahmen, wo PM zuerst noch recht selten war.
PM – Postmount
Bei Postmount liegen die Schraubenlöcher ungefähr horizontal (vorn) oder vertikal (hinten) zur Fahrtrichtung. Der Lochabstand beträgt einheitlich 74,2mm, die Einschraubtiefe M6 8,5-10,5mm, welche für maximale Stabilität auch möglichst gut ausgenutzt werden sollte. Man unterscheidet PM5, PM6, PM7, PM8, d.h. welcher Bremsscheibendurchmesser ohne Adapter gefahren werden kann. Kleinere Scheiben sind dann, wie auch bei IS2000 nicht möglich.
Postmount | Direktmontage bei Bremsscheiben-Durchmesser | Abstand Achsenmitte bis Ende der unteren Aufnahme |
---|---|---|
PM5 | 140mm | 47,5mm |
PM6 | 160mm | 55,9mm |
PM7 | 180mm | 64,0mm |
PM8 | 203mm | 73,9mm |
IS vs. PM
Unabhängig von der Bremsanlage, machen mir IS-Aufnahmen, vor allem am Vorderrad, einen vertrauensvolleren Eindruck, als PM-Gewinde. Während die Schraube bei IS direkt am Sattelhalter sowie quer zur Krafteinwirkung sitzt, bauen PM-Halter entweder nicht selten (mit Unterlegscheiben) hoch auf, wodurch das Verschraubung stärker belastet wird, und wird die Gewindebohrung (unabhängig davon) auch ungünstiger belastet. Ausgerissene IS-Aufnahmen habe ich bisher noch nicht gesehen, abgesehen PM-Aufnahmen hingegen schon einige Male.
Weil bei der Gustav M die korrekte Einstellung des Lüftspiels, d.h. der passgenaue axialen Sitz des Bremssattels, Priorität hat, ist die Gustav M auch am ehesten für IS2000-Aufnahmen geeignet. Hier lassen sich Sattelhalter und Bremsbeläge in kleinen Schritten mit 0,1mm Unterlegscheiben haargenau einstellen. Nachteil ist die nahezu feste radiale Position, die es praktisch nicht erlaubt, den Sattel exakt auf die Breite der Belagfläche der Bremsscheibe einzustellen, was je nach Herstellertoleranzen von Gabel und Rahmen i.d.R. dazu führt, dass die Beläge dort nie optimal sitzen. Während dies widerum bei Postmount gut einstellbar ist, neigt die Gustav dort eher zum Schleifen. Einen von beiden Nachteilen hat man also fast immer, wobei man ähnliche Defizite auch bei Festssattel-Bremsen hat, wo sich Beläge nicht selten ungleichmäßig und Scheiben oft auch nie optimal abnutzen.
Montage | IS2000 | Postmount |
Vorteile | genaue Zentrierung parallel (axial) zur Bremsscheibe möglich | genaue Zentrierung in der Höhe (radial) zur Bremsscheibe |
Nachteile | praktisch keine Korrektur in der Höhe (radial) zur Bremsscheibe | nur sehr wenig Einstellung parallel (axial) zur Bremsscheibe möglich (nur bei Langlöchern im Bremssattel) |
Sattelhalter
Zum Bremssattel zwingend zugehörig ist ein jeweils passender Sattelhalter, welcher auch die Funktion eines Adapters übernimmt. D.h. mit dem zweiten Teil des Schwimmsattels wird zugleich der Abstand vom Rahmen zur Bremsscheiben-Reibfläche bestimmt.
Im Laufe der Zeit wurden diese Halter seltener als die Bremsen selbst, was bei Nichtverfügbarkeit zum kompletten Montageausfall führt. Der heutige Gebrauchtpreis liegt mit knapp 100,-€ bei dem einer Voder- oder Hinterradbremse. Einige Halter waren bereits schon zu Produktionszeiten so rar, dass man sie heute praktisch gar nicht mehr bekommt.
Adapter Nr. | Teile-Nr. | Material | Gewicht | Befestigung | Gabel | Bremsscheibe |
---|---|---|---|---|---|---|
3 | ? | CNC gefräst | ? | IS2000 | IS | HR 180mm VR 210mm? |
5 | 0721212 0720941 | CNC gefräst | 55g | IS2000 | Rockshox Boxxer | VR 190mm |
6 | ? | CNC gefräst | ? | IS2000 | Marzocchi 66 | VR 210mm |
8 | 0721211 0720956 | geschmiedet | 28g | IS2000 | IS | HR 160mm |
10 | 0721211 0721330 | CNC gefräst | ? | IS2000 | IS | HR 160mm |
11 | 0721395 | CNC gefräst | 54g | IS2000 | IS | HR 190mm VR 210mm |
12 | 0721644 | CNC gefräst | 65g | IS2000 | Rockshox Boxxer | VR 210mm |
21 | 0721395 | geschmiedet | 36g | IS2000 | IS | HR 190mm VR 210mm |
24 | 0721996 | CNC gefräst | ? | IS2000 | FOX 40 | VR 210mm |
2682 | 0721210 | geschmiedet | 30g | IS2000 + 30mm | diverse | VR 190mm |
9 | 0721379 | CNC gefräst | 50g | Postmount | Manitou PM6 FOX 36 PM7 Rahmen | VR 190mm VR 210mm HR 210mm |
13 | 0721645 | CNC gefräst | 61g | Postmount | PM6 | VR 210mm |
14 | 0721604 | CNC gefräst | ? | Postmount | Marzocchi Monster | VR 210mm |
20 | 0721856 | CNC gefräst | ? | Postmount | Manitou Dorado | VR 210mm |
25 | 0721267 | CNC gefräst | 26g | Postmount | PM8 | VR 210mm HR 190mm |
Darüber hinaus sind, in entsprechend kreativen Kombinationen, natürlich auch weitere Konstellationen möglich, w.z.B.:
- Sattelhalter Nr.3 + 2682 = 210mm (180mm + 30mm) = Adapter Nr.13
- Sattelhalter Nr.8 + Adapter Shimano SM-MA-R203S/S –> IS2000, HR 203mm
- Sattelhalter Nr.11 (HR 190mm) + Adapter Magura Louise Nr. 16 (0721683, HR 180mm) d.h. +2cm –> HR 210mm
No. 5
Magura 0721212, Sattelhalter No.5, Gewicht 55g, IS2000, Rockshox Boxxer VR 190mm.
No. 12
Magura 0721644, Sattelhalter No.12, Gewicht 65g, IS2000, Rockshox Boxxer VR 210mm.
No. 5 vs. No. 12
Im direkten Vergleich die beiden Sattelhalter für die Downhill-Doppelbrückengabel Rockshox Boxxer.
No. 8
Magura 0721211 (auch 0720956), Sattelhalter No.8, Gewicht 28g, IS2000, HR 160mm.
Beim Halter Nr. 8 handelt es sich übrigens um die ältere geschmiedete Version des später gefrästen Sattelhalters No.10.
Wie genau man den Sattelhalter ausrichten sollte, zeigen die 8 Unterlegscheiben im Maß von je 0,2mm, mit denen man die Bremsbeläge in den Abstufungen 0,2, 0,4, 0,6 und 0,8mm zur Bremsscheibe zentrieren kann.
No. 2682
Magura 0721210, Sattelhalter Nr. 2682, Gewicht 30g, IS2000 + 30mm, VR190mm.
No. 8 vs. No. 2682
Da sich die beiden Halter Nr.8 (HR 160mm) und Nr. 2682 (VR 190mm) doch sehr ähneln, hier einmal der direkte Vergleich miteinander.
No. 9
Magura 0721379, Sattelhalter No.9, Gewicht 50g, Postmount, VR 190mm (PM6, Magura Manitou), VR 210mm (PM7, FOX 36), HR 210mm
No. 11
Magura 0721395, Sattelhalter No.11, IS2000, VR 210mm, HR 190mm.
No. 13
Magura 0721645, Sattelhalter No.13,Gewicht 61g, Postmount 6, VR 210mm.
No. 11 vs. No. 13
Ein beliebtes, und daher recht gefragtes Duo sind die Sattelhalter IS-Nr.11 (HR 190mm) und PM-Nr.13 (VR 210mm).
No. 21
Magura 0721395, Sattelhalter No.21, Gewicht 36g, IS2000, VR 210mm, HR 190mm.
No. 11 vs. No. 21
Im Vergleich die beiden IS2000-Sattelhalter für VR210 und HR190mm. Beide Adapter erfüllen den selben Zweck, die ältere Schmiede-Variante ist lediglich 20g leichter, und trägt nicht ganz so wuchtig auf, falls dies gewünscht sein sollte.
Aufgrund der typischen Kombination 210/190mm, und der dadurch auch vermutlich höchsten Produktionsstückmenge, sind diese Sattelhalter 11 und 21 auch heute gebraucht noch relativ gut erhältlich.
No. 25
Magura 0721267, Sattelhalter No.25, Gewicht 26g, Postmount 8, VR 210mm, HR 190mm.
Louise Nr. 15 & Nr. 16
Für die Magura Louise Zweikolben-Festsättel gab es u.A. die IS2000-Adapter Nr.15 und Nr.16 (beide jeweils in silber oder dunkler Farbe), welche bei Bedarf natürlich ebenfalls mit den Gustav IS-Adaptern kombiniert werden könnten.
Bei der Louise war, je nach Ausführung (kurzer/lange Arme) Nr.15 für HR190mm, VR190mm, VR210mm, und Nr.16 für HR180mm. Daneben gab es noch zwei Postmount-Adapter, Nr.3 für VR180mm (0721643), und Nr.17 für VR210mm (0721606). Eine 160mm Bremsscheibe konnte am Hinterrad direkt ohne Adapter gefahren werden.
Bremsscheiben
Nach den alten kreisrunden Scheiben der Gustav M (Magura 0721655), welche auch tatsächlich die zuverlässigsten waren, kamen die welligen “Storm” (203mm Freigabe bis 200kg), welche auch zum Schluss mit der Bremse verkauft wurden. Dann folgte, mit der dazugehörigen PR-Schönrederei, ein “am-Kunden-Bremsscheiben-Testen” an welchem ich mich nicht beteilgt habe: “Storm SL” (Reibfläche mit größere Aussparungen) –> neigten zum singenden Schwingen –> “Storm HC” (mit wieder weniger Verbindungsstegen und Aussparungen, dafür mehr Reibfläche).
Gustav kreisrund
Da mir das Gewicht völlig egal, die Leistung dafür um so wichtiger war, bin ich konsequent nur die größtmöglichen Durchmesser von 190 und 210mm gefahren, nie die 160 oder 180mm. Beide Bremsscheiben wurden einzig für die Gustav M hergestellt, und sonst von keinem anderen Hersteller benutzt.
Mit einem Gewicht von 210g (190mm) und 250g (210mm) wiegen die Gustav M Bremsscheiben zusammen bereits stolze 460g!
Die originale 190mm Scheibe ist heute selbst gebraucht fast gar nicht mehr zu bekommen, neu sowieso überhaupt nicht mehr. In meinem Teilelager habe ich zwei offensichtlich verschiedene Produktionen entdeckt, wobei das aktuellere Modell knapp 10g schwerer war.
Im Rahmen eines Neu-Aufbau habe ich mir 2024 online vier neue 210mm Bremsscheiben gekauft, Stückpreis knapp 25,-€, später bei einem anderen Verkäufer nochmals 4 Stück für je 18,-€. Die Beschriftung stimmt mit meinen alten gebrauchten überein, die Stärke beträgt ebenfalls 2,0mm, optisch sehen identisch aus, und laut Verkäufer sollen es auch originale Magura-Scheiben sein (Restposten). Kurioserweise sind sie jedoch 12-15g leichter als die damaligen; anderer Stahl, andere Wärmebehandlung?
Storm
Das sogenannte Wave-Format wurde damals durch die Firma Galfer patentiert, und in der Fahrradindustrie ist Magura der einzige offizielle Lizenznehmer, alle anderen Unternehmen kopieren dies schlichtweg nur. Durch das spezielle Design, wird bei gleichem Gewicht ein höherer Reibring erzielt, Schmutz und Wärme können besser abgeführt, und die Scheibendicke leichter gemessen werden. Durch den sogenannten Stick-Slip-Effekt der inhomogenen Fläche, kann diese allerdings auch zu einem verstärkten Quitschen führen.
Gustav vs. Storm
Im Vergleich zur kreisrunden, besitzt die Storm weniger Reibfläche, als auch weniger Löcher. Ihre Verbindungsstege sind dünner, dafür jedoch mehr in der Anzahl (190mm: +4 / 210mm: +2). Statt den vormals 2,0mm Stärke, ist die Storm “nur” noch 1,9mm dick. Während die kreisrunden Scheiben noch 210g (190mm) und 250g (210mm) wogen, zusammen also stolze 460g, wiegen die Storm nur noch 180g (190mm) und 230g (210mm), wurden also jeweils über 30g abgespeckt; Gesamtersparnis 60g.
Als Verschleißteile auf Lager habe ich mir, neben 8 paar Bremsbelägen, gelegt: 3x 210mm kreisung (2x neu, 1x neuwertig), 2x 190mm neuwertig, 1x 210mm Wave neuwertig, 1x 190mm Wave neu = 4x 210mm + 3x 190mm.
Brakestuff
Da es keine originalen 190mm Scheiben mehr gab, blieb mir nur der Gang zum Tuner. Fa. Brakestuff bot Scheiben in einem Design-Mix aus den alten runden und den Storm an, optisch also sehr neutral. Statt 2,0mm waren diese stolze 2,2mm stark, und wogen 230g (190mm) bzw. 280g (210mm). Also 20 bzw. 30g mehr als die alten originalen, und 50g schwerer als die Storm. Der mögliche Verschleißt war mit 0,5mm angegeben (Magura 0,3mm), und angeblich gab es auch ein zusätzliches Härteverfahren für noch mehr Standfestigkeit.
In der Praxis waren die Scheiben tatsächlich standfest, allerdings die Reibwirkung geringer als die originalen, womit länger gebremst werden musste, und die Scheiben sehr heiß wurden; bis zum Glühen heißer als die originalen. Auch das Einbremsen, sofern man diese Scheiben überhaupt eingebremst nennen kann, dauerte sehr sehr lange, d.h. die Bremswirkung wurde mit der Zeit nur minimal besser. Verwendet habe ich die Scheiben sowohl mit den originalen Endurance Belägen 1.2, als auch zwei Paar Zubehörbelägen, jeweils ohne dabei gravierende Unterschiede festgestellt zu haben.
Gustav vs. Storm vs. Brakestuff
6. Tuning
Aufgrund der vergleichsweise klobigen Motorradbremsgriffe mit ihren relativ großen Geberzylindern, lag es für Bastler nahe, diese durch handlichere Zweifingerbremshebel mit kleineren Zylindern (effektiveres Übersetzungsverhältnis) zu ersetzen.
Shimano
Moderne und ergonomisch sinnvollere Shimano-Bremshebel verfügen nicht nur über kleinere Nehmerkolben, sondern für möglichst kurze 2-Finger-Bremsgriffe, auch über die Servo Wave Action Technik. Bei dieser legt die Kolbenstange zu Beginn der Hebelkennlinie erst einen größeren Weg zurück, verringert sich ab der Mitte, und zu Gunsten der besseren Dosierbarkeit, dann jedoch wieder deutlich. Von ca. 5,8:1ohne Servo Wave, wird die Übersetzung damit auf etwa 7,5:1 erhöht, die Bremskraft um ca. 30% gesteigert.
Shigura
Kombiniert man nun Shimano-Bremshebel (ich: Deore XT BL-M8000, Kolben 10 x 25,4mm) mit den Magura Bremssätteln, erhält man eine sogenannte “Shigura”. Aus wirtschaftlicher Sicht gewiss nicht im Interesse der Unternehmen, das eigene mit einem besseren Konkurrenzprodukt zu mischen, und daher neuerdings auch von Hersteller-eigenen Influencern (Werbenutten) mit Negativmeinungen belegt. Aus technischer Sicht jedoch das beste was man machen kann, und zumindest bei mir funktioniert dieser Umbau (mit 6mm Goodridge Bremsleitungen und Royal Blood) seit über 7 Jahren einwandfrei.
Die Bremsleistung meiner Anlage liegt in etwa auf dem Niveau einer Trickstuff Maxima, also mit das Stärkste was der Markt hergibt. Einzig und eventuell noch zu maximieren (dann DIE Stärkste überhaupt), mit einem Trickstuff-Bremshebel mit 9mm Nehmerkolben (“Trigura”). Allerdings ist dessen Leerweg wohl länger als jener der Shimano-Hebel, und das Preis-Leistungs-Verhältnis wäre mit zusätzlichen 1000,-€ auch völlig absurd. Ein durch Sturz abgebrochener Hebel würde dann nicht “nur” wie bei Shimano 20,-€, sondern gleich 100,-€ kosten (sofern erhältlich).
Allgemein
Natürlich kann man auch andere Bremshebel mit anderen Bremssätteln kombinieren, sofern diese Komponenten mit der dann verwendeten Bremsflüssigkeit harmonieren. Mineralöl ist zwar weniger aggressiv als DOT auf Polyglycol-Basis, dafür aber auch dickflüssiger, d.h. während die eine Flüssigkeit dafür nicht geeignete Komponenten und Dichtungen mehr angreifen könnte, besteht bei der anderen die Gefahr, eventuell zu dickflüssig für minimale Öffnungen zu sein. Was zueinander passt, lässt sich einzig durch Versuche ergründen.
Berücksichtigen muss man auch die spezifischen Anschlüsse, sowie das ausreichende Volumen im Ausgleichsbehälter des Bremshebels, damit sich die Bremsbeläge wieder ordnungsgemäß zurück stellen können, und der Behälter bei stark abgenutzten Belägen nicht vollständig leer läuft. Allgemein gilt, je weniger Bremsflüssigkeit im Bremsgriff (und Sattel) enthalten ist, desto weniger standfest ist auch die Bremse. D.h. einem ungeeigneten Bremshebel kann es unter hoher Belastung (z.B. Downhill) zu nachlassendem Bremsdruck und/oder Druckpunktwandern kommen; wobei dies allerdings auch ein Problem von Mineralöl (im Vergleich zu DOT) allgemein ist.
Hinweis: Grundsätzlich sollten Arbeiten an Fahrzeugen, oder gar Modifikationen der Komponenten, nur Menschen mit dem dafür notwendigen Sachverstand vollziehen. Sollte also, bei technisch intakten Bauteilen, irgendetwas dennoch nicht korrekt funktionieren, kann hier nur der Schrauber selbst der Grund dafür sein.
7. Vergleiche
Andere Hersteller
Folgend ein paar technische Daten anderer Bremsanlagen im Vergleich. Die damaligen einzelnen Angaben diverser Fahrradzeitschriften zur Bremskraft bei 80N Handkraft (ca. 400-500 N), veröffentliche ich hier bewusst nicht, da diese “Messungen” teilweise über 10 Jahre auseinander liegen, und solche Berichte zudem auch von Herstellern gesponsort waren, d.h. es sich mehr um Werbung als die Wahrheit handelt. Prinzipiell ist es nämlich so, dass in Berichten von Fahrradzeitschriften- und Foren, das jeweils aktuellste Modell meist am besten abschneidet. Meine Webseite besteht aus Fakten, nicht aus Lügen.
Bremse | Preis | Bauart | Ausgleichsbehälter | Geberkolben | Nehmerkolben | Bremsscheiben | Bremsbeläge |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Meine Shigura | Eigenbau | 2 Kolben Schwimmsattel | folgt nach Messung! | 10 mm | 2x 18mm Phenolharz | 190 + 210 mm | 41 x 15 mm |
Magura Gustav M | 300,- € | 2 Kolben Schwimmsattel | 6 ml | 10,5 mm | 2x 18mm Phenolharz | 190 + 210 mm x 2,05 mm | 41 x 15 mm |
Magura Gustav Pro | 300,€ | 4 Kolben Festsattel | 7 ml (ABS) | 12 mm | 4x 19 mm | 180 + 203 mm x 2,5mm | ? |
Magura MT7 | 350,€ | 4 Kolben Festsattel | 4 ml | 10 mm | 4x 17 mm | 203 + 220 mm x 2,0 mm | ? |
Hope Tech 4 | 500,-€ | 4 Kolben Festsattel | ? | 9,5 mm | 4x 18 mm Edelstahl mit Phenoleinsatz | 160, 180, 200, 220 mm | ? |
Shimano Saint | 350,-€ | 4 Kolben Festsattel | ? | 10 mm | 2x 17,2 + 2x 15,1 mm Keramik | 180 + 203 mm Sandwichbremsscheibe außen Edelstahl, innen Aluminium | mit Kühlrippen |
Trickstuff Direttissima | 1.000,-€ | 4 Kolben Festsattel (The Cleg) | 3 ml | 9 mm | 2x 14 + 2x 7 mm Polyoxymethylen | 203 + 223 mm x 2,0 / 2,05mm | diverse |
Trickstuff Maxima | 1.300,-€ | 4 Kolben Festsattel | ? | 9 mm | 2x 16 + 2x 17 mm | 203 + 223 mm x 2,0 / 2,05mm | diverse |
Gustav M vs. Gustav Pro
Die meisten erfolgreichen Produkte werden irgendwann wieder neu aufgelegt, bzw. ein anderes neues Produkt unter dem vormals erfolreichen Namen. Geschieht so etwas, sollte man ganz genau hinsehen, denn leider wird der Nachfolger nur selten dem Vorgänger gerecht bzw. erweist sich überhaupt als würdiger Nachfolger.
Dass Die Gustav M irgendwann ein Revival erlebt, war absehbar, denn immerhin steht der Name Gustav im Unternehmen Magura für das in seiner Kategorie technisch jeweils hochwertigste Produkt, eine Bezeichnung welche also Erfolg verspricht. Dass man dafür das im Fahrradbereich einzigartige Konzept des Schwimmsattels beibehält, hätte ich mir zwar gewünscht, war jedoch aufgrund des weltweit fragwürdigen Leichtgewichts-Trends, und der grundsätzlich immer kurzlebigeren Produkte recht unwahrscheinlich. Für Magura dürfte es wichtiger gewesen sein, den starken Bremsen anderer Unternehmen wieder etwas (vermeintlilch) deutlich besseres entgegen setzen zu können, denn das Topmodell MT7 war bereits von Konkurrenten überholt wurden. Zudem benötigten immer mehr elektrifizierte schnellere Fahrräder nicht nur endlich standfestere Bremsen, sondern natürlich auch noch mehr teure fragwürdige Elektronik wie ABS.
PR-Argumentation
Die hauseigene PR-Abteilung wird es wahrscheinlich anders sehen, aber als besonders beschämend empfinde ich den Vergleich “alte Gustav M aus 1996 vs. neue Gustav Pro aus 2024” auf der Magura-Webseite selbst (Stand 08/2024), welchen ich folgend einmal auszugsweise kommentieren möchte. Die Zitate sind inkl. der Rechtschreibfehler wortwörtlich übernommen, und über die Tatsache, dass Magura die zweikolbige Gustav M, im eigenen 125jährigen Jubiläumsjahrbuch (77 Seiten pdf) als Vierkolbenbremse bezeichnet, lasse ich einmal unkommentiert.
Die legendäre GUSTAV M ist eigentlich die Mini-Version einer Motorradbremse. Sie besitzt einen schwimmend gelagerten Bremssattel, der sich durch Kontakt zur Scheibe zentriert, war daher aber kaum schleiffrei einstellbar. Ganz anders die GUSTAV PRO. Sie setzt auf einen Festsattel mit vier großen 19 mm Kolben und großem Luftspalt zwischen Belag und Scheibe. Einteilig geschmiedet.
–> Damals hieß es noch recht arrogant, gegen eventuelles Schleifen hilft eine genaue Ausrichtung, und wer dies nicht geschafft hatte, der würde etwas falsch machen. Heute, wo ein anderes Produkt damit glänzen soll, wird dieser schon immer bekannte Nachteil plötzlich ganz anders bewertet, wobei diese Eigenschaft erheblich von der Bremssattelaufnahme abhängig ist, und bei IS2000 sehr gut korrigiert werden kann. Der damals schmale Luftspalt sorgte für zügiges Zupacken der Bremsbeläge, während hingegen ein größerer Luftspalt auch eines längeren Hebelweges bedarf. Zudem werden in dieser Werbeaussage weder die Vorteile des alten Schwimmsattels, noch die Nachteile des neuen Festsattels genannt; natürlich auch nicht darauf hingewiesen, dass auch schon die alte Gustav M einteilig geschmiedet war, und aber größere Bremsbeläge besaß. Das bewusste Weglassen von bekannten Tatsachen, zum Erwecken eines falschen Eindrucks, wird umgangssprachlich übrigens als lügen bezeichnet.
Während die GUSTAV M auf einen axialen Bremsgriff setzt, hat die GUSTAV PRO einen radialen Bremsgriff mit senkrechter Kolbenansteuerung zum Lenker. Das reduziert die Reibungsverluste und sorgt für ein besonders direktes Bremsgefühl. Der Ausgleichsbehälter ist heute formschön und platzsparend in den Griff integriert. Auch die EASY LINK Leitungskupplung ist unsichtbar integriert. So viel Technologie auf so wenig Bauraum ist nur möglich durch die heutige CARBOTECTURE Technologie des Bremsgriffs.
–> Der neue Bremsgriff ist noch hässlicher, noch klobiger, und besteht zudem auch noch aus zerbrechlichem Kunststoff (mit Sollbruchstelle), und nicht wie der alte aus solidem Metall. Der radial statt achsial angebrachte Bremsgriff dürfte dem ABS bzw. der Elektronik geschuldet sein (auch der größere Ausgleichsbehälter), und hat nichts mit einem angeblich besonders direkten Bremsgefühl zu tun. Im Gegenteil, der daraus resultierende weite Abstand zum Griff ist deutlich unkomfortabler, zudem Plastegewinde zur Montage alles andere als langlebig sind. Dass der neue Geberkolben im Durchmesser nun 1,5mm größer ist als der alte, und dadurch natürlich auch nicht mehr Bremskraft entstehen kann als damals, wird hier elegant weggelassen; ebenso, dass eine Steckkupplung nicht so haltbar wie eine Verschraubung ist.
An den GUSTAV M Modelle diente eine Aluminium-Scheibe als Reibpartner. Weil sich dieses Material jedoch stark ausdehnte, setze man auf ein zweiteiliges Scheibendesign. So konnte sich die Scheibe ausdehnen ohne zu deformieren. Heute nutzt man eine Stahlscheibe in 2.5 mm Dicke. Diese nimmt die Hitze besser auf und erhitzt sich später. Zusätzlich verringert die Masse Schwingungen und damit auch Geräusche. Der Lochkreisabstand der 6-Loch Aufnahme lag schon früher bei 44 mm. Manches ändert sich eben doch nicht.
–> Nur die allererste Gustav M besaß die aufwendigen zweiteiligen Scheiben, schon kurz darauf folgten die gängigen Stahlscheiben, welche bis zum Produktionsende und über den längsten Zeitraum verbaut wurden; das Material Stahl ist also keineswegs neu für die Gustav M. Dass die Scheibendicke von damals 2,05 auf nun 2,50mm angestiegen ist, dürfte den vierteiligen Belägen geschuldet sein, welche natürlich ein höheres Risiko des Verzugs der Bremsscheibe mit sich bringen als die damaligen. Das für die Bremskraft wichtigere Maß jedenfalls ist (schon vor längerem) gesunken, der Scheibendurchmesser von 210mm auf 203mm. Laut Magura entsprechen die 203mm der Gustav Pro, der Bremsleistung der MT7 mit 220mm Scheiben (später neues Maß), und diese war ja bekanntlich schon schwächer als die der Gustav M.
Wer kennt es noch? Als die GUSTAV M auf den Markt kam, gab es diverse Befestigungsarten für Bremssättel an Rahmen & Gabel. Im Jahr 2000 etablierte sich dann der Internationale Standard (IS). Heute ist die Ausrichtung deutlich einfacher möglich dank Postmount (PM) und die Zange wir deutlich schlanker befestigt.
–> Es gab nicht diverse, sondern lediglich zwei Befestigungsarten: PM und IS, wobei Postmount weder nach IS auf den Markt kam, noch einfacher zu montieren ist, ganz im Gegenteil. Postmount war für die Fahrradhersteller schlichtweg billiger und einfacher zu bauen, weil es ihnen mehr Toleranzen ermöglichte, brachte jedoch auch aufwendigere und teilweise weniger stabile Bremssatteladapter mit sich. An einem IS-Rahmen konnte nicht die Bremssattelhöhe, und an einer PM-Gabel nicht die Breite eingestellt werden. Dass die Gustav Pro schlanker ist, liegt nicht allein an der Befestigungsart sondern an ihrer Baurart eines Festsattels, während in der Argumentation einfach ausgelassen wird, dass die Gustav M eine Schwimmsattelbremse und deshalb etwas breiter war.
Erste Eindrücke
Laut den ersten Fahrberichten von Fachzeitschriften aus 06/2024 (Markteinführung voraussichtlich 10/2024), wird einzig die konstante Bremsleistung gelobt, welche es bei den MTs ja so schon nicht mehr gab, bei der Gustav M jedoch immer obligatorisch war. Die Bremskraft allerdings soll dennoch nicht höher als die der MT7 sein, was nichts anderes heißt, dass diese unter den Gustav M liegt. Bemängelt wurde auch der, durch die ABS-Tauglichkeit vorgegebene, viel zu große Abstand der Bremshebel vom Lenker; für kürzere Finger wohl sehr problematisch. Als Novum wurde das Easy Link System beschrieben, mit dem die Bremsleitung einfach und schnell ohne schrauben in den Bremsgriff gesteckt werden kann; vorausgesetzt die Leitung ist mit dem dafür notwendigen Spezialwerkzeug entsprechend vorkonfiguriert.
Fazit
Heißt also, die Gustav Pro lässt sich bei der Fahrradmontage des Herstellers (Magura nennt hier Bulls, Canyon, Conway, Cube, Rotwild) nun schneller anbringen, was zwar eine Kostenersparnis bei der Arbeitszeit, jedoch überhaupt keinen Vorteil für den Nutzer ergibt. Denn wer bitteschön wechselt regelmäßig seine Bremsleitung oder die Griffe? Das wesentlichste Merkmal der Gustav Pro, welches es so zuvor noch nirgendwo anders gab, dient also einzig der Gewinnmaximierung durch Kosten- bzw. Zeitoptimierung der Hersteller.
Das einzige was die neue Gustav Pro mit der alten Gustav M gemeinsam hat, ist tatsächlich ihr Name “Gustav”. Technisch gesehen haben beide Bremsanlagen absolut rein gar nichts miteinander zu tun. Die Gustav Pro kommt demzufolge auch nicht an die Leistung, Zuverlässigkeit und Lebensdauer der Gustav M heran. Schade in gleich doppelter Hinsicht: Die Gustav M hat keinen wirklichen Nachfolger, und wenn die Gustav Pro die aktuell innovativste Fahrradbremse des Herstellers sein soll, dann hat im Vergleich auch die Innovationskraft deutlich nachgelassen. Einfach nur schade und traurig zugleich, was aus den einstmals guten Produkten heute gemacht wird.
8. Positives
- hochwertige Verarbeitung sämtlicher Einzelteile
- ultimative Bremsleistung (vor allem durch Tuning mit anderen Bremshebeln)
- maximal standfest und zuverlässig (auch unter Dauerlast immer konstanter Druckpunkt)
- bauartbedingt sehr lange Lebensdauer
- extrem wartungsarm (einzige Verschleißteile sind Scheiben und Beläge)
- der einteilig geschmiedete Bremssattel ist maximal robust (Beschädigung und Korrosion)
- durch nur 2 nebeneinander, statt 4 gegenüberliegende Bremskolben, muss keine Bremsflüssigkeit um den Sattel herum geleitet werden, und wird somit auch nicht unnötig aufgeheizt
- der 18mm große Durchmesser der Nehmerkolben erzeugt maximalen Bremsdruck
- die vergleichsweise größere Länge der Nehmerkolben führt weniger zum Verkanten (Lebensdauer)
- das Material Phenolharz der Nehmerkolben besitzt weniger Wärmeausdehnung als Aluminium, und im Gegensatz zu Stahl überträgt es nur 1/800 der Hitze und rostet nicht (Temperaturbeständigkeit 260°C, in Spitzen sogar bis 315°C)
- Keramik-Isolatoren zwischen Kolben und Bremsbelag verhindern unnötige Wärmeübertragung
- der einteilig große Bremsbelag erzeugt maximale Reibung
- die originalen kreisrunden Bremsscheiben sind äußerst zuverlässig und lange haltbar
- Mineralöl ist deutlich wartungsfreundlicher als Polyglykol (DOT)
- angemessen gutes Preis-Leistungsverhältnis
9. Negatives
- die langen 4-Finger-Bremshebel sind vergleichsweise unergonomisch und besitzen einen sehr langen Leerweg (ermüdende Bremshaltung)
- die Bremsbeläge neigen (unabhängig von Belag und Scheibe) zu vergleichsweise mehr Quitschen
- zum Bremsbelagwechsel (oder Reinigung) muss der komplette Bremssattel demontiert werden
- zur Montage der Bremssättel sind spezielle (teilweise seltene) Sattelhalter erforderlich
- einige CNC-Sattelhalter tragen optisch sehr dick auf, wirken klobig, und harmonieren nicht mit dem Rahmen
- Bremssattel und Sattelhalter benötigen mehr Bauraum und sich vergleichsweise schwer (Gesamtgewicht über 1kg!)
- eine technisch gut erhaltene Bremsanlage ist heute, 13 Jahren nach Produktionsende, nur noch schwierig gebraucht erhältlich, einige Sattelhalter dann noch viel schwieriger
- die 190mm Bremsscheiben sind, außer in teurer Einzelanfertigung, nirgendwo mehr erhältlich
- dieser Bericht wird höchstwahrscheinlich nicht zu einer besseren Verfügbarkeit auf dem Gebrauchtmarkt beitragen (es sei denn, jemand legt das Ganze wieder neu auf, ohne Sparmaßnahmen selbstverständlich)
10. Fazit
Bezüglich Leistung, Zuverlässigkeit und Haltbarkeit gibt es weltweit immer noch keine bessere Fahrradbremse. Wie auch, denn die Magura Gustav M ist keine marktübliche Fahrrad-Festsattel, sondern nichts anderes als eine verkleinerte Motorrad-Schwimmsattelbremse.
Einerseits schade (auch für das Unternehmen), dass es solche Entwicklungen heute nicht mehr gibt, andererseits freue ich mich heute immer noch über jeden einzelnen Bremsvorgang meiner Shigura. Mit minimalem Kraftaufwand (1-Finger) erreiche ich selbst mit hoher Last (80kg Anhänger), oder entgegen der Zugkraft meines muskulösen Hundes, eine brachiale Bremswirkung. Für keine andere Fahrradbremse passte folgende Weisheit jemals besser: “Wer später bremst, ist länger schnell”:-)
Anmerkung: Keine meiner Gustav-Teile stehen aktuell zum Verkauf oder Verleih, auch nicht gegen Höchstgebot.