Autor: Dominik
Review: Das Hilleberg Jannu ist ein stabiles Hochgebirgszelt mit einem guten Verhältnis von Stabilität zu Gewicht; hier meine Rezension aus schwedisch Lappland.
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1. Produkt
Ein-Personen-Expeditions-Zelt
2. Unternehmen
- Hilleberg The Tentmaker AB (seit 1971), Önevägen 34, 832 51 Frösön, Schweden
- Produktion in Rapla, Estland (Hilleberg Eesti OÜ)
3. Kauf
- 04/2021: 12.200SEK (ca. 1.100€)
- Footprint: 1.149SEK (100,-€)
Parallel zu meinem Hilleberg Tarra (brutto 4,9kg) wollte ich mir ein noch etwas leichteres Zelt zulegen, das aber dennoch sturmstabil und weitesgehend selbsttragend sein sollte. Als einziges Kuppelzelt aus dem Hilleberg-Programm kam hier das Jannu in Frage (brutto 3,6kg).
Nach intensiver Suche, hatte ich weltweit nur noch ein ein einziges Modell in der Farbe sand gefunden, im schwedischen Naturkompaniet. Mit den vom Verkäufer mehrfach überklebten Preisschildern war zu erkennen, dass es sich beim Jannu offensichtlich um einen Ladenhüter handeln musste, denn unter meinem Etikett von 12.199SEK gab es zwei weitere mit 11.399SEK sowie 10.899SEK. Der Preis des Jannu stieg also (Zeitrahmen unbekannt) von ursprünglich 950,-€ um 150€ zweimal auf 1.100€. Damit habe ich 2022 für das Jannu inklusive Footprint genau so viel bezahlt, wie für das Tarra (ebenfalls inkl. Footprint) zwei Jahre zuvor. Dennoch war ich froh, dieses seltene Zelt endlich bei mir haben zu können.
4. Spezifikationen
- Nettogewicht: 2,8 kg (nur Zelt)
- Bruttogewicht: 3,2 kg (komplett)
- Gesamtgewicht im Packsack XP incl. Footprint: 3,6 kg
- Packmaß: 52 x 18 cm
- Innenzeltfläche: 235 x 125 cm = 2,9 m² (Herstellerangabe 3,1 m²)
- Absisfläche: 1,2 m²
- Innenzelthöhe: 100 cm (Kuppel) / 85cm (Eingang)
- Innenzeltmaterial: 30D Ripstop Nylon, wasserabweisend
- Außenzeltmaterial: Kerlon 1200 (Fa. Dominico, Südkorea) mit einer Mindestreißfestigkeit von 12kg, jeweils innen und außen 3-fach silikonbeschichtet
- Lüftung: Ein Dachlüfter
- Innenzelttaschen: 2×2
- Wäscheleine: vier Rundringe
- Abspannleinen: 3 mm-Vectran, 80 kg Reißfestigkeit
- Heringe: 15 V-Pegs (im Packsack)
- Gestänge 3x DAC Featherlite NSL: 2x 368 x 9 mm + 1x 373 x 9mm
- Farbe: sand
5. Praxis
Nach dem Kauf im Frühjahr 2022 habe ich das Jannu dreimal kurz in der Heimat benutzt (einfache Bedingungen), und bin dann, zur Feuertaufe im Spätherbst 6 Wochen lang durch schwedisch Lappland getourt. Die Witterungsbedingungen waren fast immer feucht, oft auch Nebel, es gab einiges an Schnee, und die Temperaturen lagen zwischen +8 und -10°C, meist im Minusbereich.
Aufbau
Der Aufbau des Jannu gestaltet sich schnell und unkompliziert, die Gestänge können nicht verwechselt werden. Man steckt erst die beiden mittleren Kreuzgestänge ein, dann die vordere der Apside, und klipst dann das Gestänge, von unten beginnend, umlaufend bis zur Dachspitze nach oben hin ein. Wie bei einem Kuppelzelt üblich, nimmt das Abspannen die meiste Zeit ein. Dabei sollte wegen der Stabilität unbedingt darauf geachtet werden, die Schlaufen erst um die Gestänge zu wickeln, bevor man deren Seile abspannt.
Aufgrund der relativ kompakten Stellfläche und flachen Bauweise wird durch die Gestängekonstruktion eine gute Endstabilität erreicht. Schneelast ist für das Jannu überhaupt kein Problem, zumal die relativ kleine Dachfläche auch nicht besonders viel Schnee zulässt. Eher würden die Wände einschneien und zusammengedrückt werden, als dass das Dach nachgeben würde.
Abside
Die lange und sehr flach abfallende Apside ist das wohl charakteristischste Merkmal des Jannu. Durch eine asymmetrische Dreifach-Reißverschlussausführung lässt sich der Eingang auf verschiedene Arten öffnen, was in Hinblick auf die Stellfläche im Gebirge auch Sinn macht.
Der größte (Standart-)Eingang mit bis ca. 70% Öffnung ergibt sich durch das Öffnen des Reißverschluss von unten links bis unter die verlängerte Sturmhaube. Diesen unteren Ansatzpunkt des Reißverschlusses gibt es nicht auf der anderen (wettergeschützten) Seite. Für den direkten Frontzugang wird der Zipper an der vorderen rechten Ecke geöffnet, auch wieder bis nach oben unter die Sturmhaube; man erhält einen Schönwetterzugang mit Aussicht. Von innen nach außen ist dieser Ausstieg jedoch nicht unbedingt zu empfehlen, da die Apside von innen grundsätzlich kondensnass ist, man sehr weit in die Ecke greifen muss, und dadurch in jedem Fall selbst nass wird.
Innenraum
Laut Hilleberg ist das Jannu für 2 Personen geeignet, das jedoch sehe ich ein wenig anders. Eine Person bekommt ihre Ausrüstung gut unter, sowohl im Innenraum als auch in der Apside. Bereits mit mittelgroßem Hund und dementsprechend Zusatzausrüstung wird es jedoch schon sehr eng.
Eine zweite Isomatte würde überhaupt nur ins Zelt passen, wenn beide zusammen schmaler als 120cm sind, aber dann kann man sich praktisch nicht mehr bewegen, und man hat jedoch noch gar keine Ausrüstung im Zelt. Nächstes Problem ist die nur geringe Innenhöhe, bei 1,85m Größe kann man nur gebeugt im Zelt knien. Das höchste Maß wird nur direkt unter der Dachmitte erreicht, entscheidender jedoch ist das kleinste Maß vom Eingang, welches den Durchschnitt der nutzbaren Innenhöhe eher charakterisiert. Unter der Decke lässt sich an den Kunststoff-Rundösen eine kleine, aber dennoch stabile Wäscheleine spannen; auch dieser Platz ist maximal für eine Person geeignet.
Ventilation
Die kleine Stellfläche sowie die nur geringe Innenhöhe ergeben natürlich auch nur ein relativ kleines Volumen im Innenzelt, d.h. das Kondensationsrisiko ist entsprechend hoch. Der Dachlüfter unter der großen Sturmhaube ist, zumindest für eine Person ausreichend. Und steht das Zelt straff gespannt, d.h. entweder bei Sonne und/oder Trockenheit, ist es innen ausreichend ventiliert.
Lässt jedoch die Spannung der Zeltaußenhaut nach, z.b. durch Nässe und/oder Kälte, oder starken Wind, liegt vor allem an den beiden großen Außenflächen sowie dem Fußteil die Außenhaut am Innenzelt. Damit gibt es keine Ventilation mehr, und das Kondenswasser sammelt sich an genau diesen Bereichen.
Weil das Innenzelt wegen der Atmung ja nicht wasserdicht sein darf, drückt sich das Kondenswasserwasser durch, und läuft an den Innenwänden herunter. Schläft man solo in der Mitte, bleibt der Schlafsack von den Seiten her eventuell trocken. Aber bereits ab 1,80m Körpergröße stößt man hier an das schräge Kopf- und/oder Fußende, womit der Schafsack dann dort in jedem Fall nass wird.
Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, oder feuchter Kälte weit unter 10°C, gibt es solo einzig keine Kondensation im Innenzelt, wenn sowohl Dachlüfter als auch das Innenzelt vorn komplett geöffnet ist. Bei Eiseskälte an einer Felswand würde ich allerdings jede Zugluft vermeiden, womit der Innenraum nass werden würde. Mit zwei Personen ergäbe sich eine zufrierende Tropfsteinhöhle, keine schönen Bedingungen, vor allem, wenn man den Schlafsack dann nicht mehr trocken bekommt. Die lange flache Apside war bei mir übrigens immer innenfeucht.
Der Dachlüfter ist wirklich groß genug, und die Konstruktion an sich, sollte für Alpinisten auch beibehalten werden, aber man hätte das Zelt ca. 40cm länger machen können; dann würde einem zumindest der nasse Schlafsack erspart bleiben. Noch 20cm in der Breite hinzu, und es fänden auch 2 Personen gut Platz im Jannu. Wobei man dann vermutlich fast schon beim Gewicht eines Tarras wäre. Ansonsten kann man sagen, ist das Jannu ein kleines Saivo, leider jedoch ohne dessen herausragend guter Lüftung.
6. Positives
- sehr gutes Verhältnis von Stabilität zu Gewicht
- relativ kleine Stellfläche
- ausreichend gute Windstabilität
- einseitig variable Zugangsmöglichkeiten
- nur relativ kleine Dachfläche (Schneelast)
- stabile griffige Abspannleinen
- einfacher Aufbau
7. Negatives
- nur relativ kleine nutzbare Innenfläche
- zu kurze Innenlänge (durch Längsschrägen)
- nur geringe Innenhöhe
- nur mäßige Ventilation
- relativ starke Kondensation (vor allem Bodenwanne)
- große äußere Seitenwände selten straff gespannt
- Niederschlag fällt ins Innenzelt (bei geöffneter Apside)
- Sturmhutze in der Höhe störend beim Betreten (Hängenbleiben)
- Innentaschen nicht wirklich stabil (Naht-Ausreißgefahr)
- leichte Heringe (könnten stabiler sein) mit nur mäßigem Bodenhalt
- Heringe müssen für einige Abspannpunkte doppelt genutzt werden (könnten 5 mehr sein)
8. Fazit
Aufgrund seines sehr guten Verhältnis von Stabilität zu Gewicht sowie der geringen Standfläche ist das Hilleberg Jannu ideal für alpine Solotouren geeignet. Nutzt man es nicht für solche sehr speziellen Einsätze, überwiegen bei vielen anderen Anwendungen, je nach Witterung und Platzbedarf aber vor allem die konstruktionsbedingten Nachteile.
