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Automatische und manuelle Freilaufnaben
1. Nutzen und Funktion
Die Freilaufnabe bietet die Möglichkeit der Umschaltung zwischen einer kraftschlüssigen Verbindung der Vorderräder mit dem Antriebsstrang (Antriebswelle) und eben einer Entkopplung dieser, d.h. dem Freilauf. In gesperrter Stellung kann der Allradantrieb zugeschaltet werden (automatisch oder manuell), in entsperrter Stellung ist kein Allradantrieb möglich (auch wenn per Zwischengetriebe die vordere Kardanwelle zuschaltet wird). Die Vorteile der Freilaufnabe liegen auf der Hand: bei nicht benötigtem Allrad spart man durch Entkopplung der Vorderräder Kraftstoff, verringert Geräusche und Verschleiß (Kardanwellen, Differential, Reifen).
2. Manuelle Freilaufnabe vs. Automatische Freilaufnabe
Man unterscheidet manuelle und automatische Freilaufnaben. Ein Sonderfall ist die aufwendig konstruierte Doppel-Funktionsnabe beim Nissan Patrol mit den beiden Schaltstellungen LOCK und AUTO, die sowohl wie eine automatische als auch eine manuelle Nabe betrieben werden kann.
2.1 Die manuelle Freilaufnabe ist relativ einfach aufgebaut, haltbar und funktioniert zuverlässig. Um zwischen LOCK und FREE zu schalten muss man jedoch aus dem Fahrzeug steigen …und immer beide Naben in gleiche Schaltstellung bringen. Ist die Antriebswelle zugeschaltet, dreht sich bei verriegelter Freilaufnabe auch das Rad mit; ohne verriegelte Nabe würde die Welle sinnlos mitdrehen. Auch bei Einsätzen wo nicht unbedingt der Allradantrieb, wohl aber eine Untersetzung gefordert ist (z.B. Rangieren mit schwerem Hänger), punktet die manuelle Freilaufnabe. Denn ohne zugeschaltete Vorderachse gibt es auch keine Verspannungen im Antriebsstrang und den damit verbundenen großen Wendekreis; man kann das Fahrzeug präzise und kupplungsschonend im Kriechgang manövrieren. Empfindet man die Betätigung der manuellen Freilaufnabe nicht als unkomfortabel gibt es im Prinzip keine Nachteile, vorausgesetzt die Nabe funktioniert zuverlässig.
2.2 Die automatische Freilaufabe ist komfortabler in der Bedienung, dies ist jedoch auch ihr einziger Vorteil gegenüber der manuellen. Denn sie ist weniger haltbar und, vor allem in schwierigen Geländesituationen, unzuverlässiger. Bei sich drehender Antriebswelle und stehendem Rad verriegelt die Nabe, umgekehrt öffnet sie. D.h. man verriegelt die Nabe durch Zuschalten der Antriebswelle bei Vorwärtsfahrt und entriegelt diese durch Abschalten der Antriebswelle bei Rückwärtsfahrt. Und hier liegt das große Problem dieser Nabenkonstruktion, denn im Gelände hat man nicht selten wechselnde Fahrtrichtungen und beim Herausschaukeln beispielsweise springt nicht selten eine Nabe wieder raus. Man kann sich grundsätzlich nie sicher sein, ob sich tatsächlich beide Naben in gleicher und sinniger Schaltstellung befinden. Spätere „Verbesserungen“ durch eine vom Steuergerät geschaltete Unterdrucksteuerung führten leider nur zu weiteren möglichen Fehlerquellen und nochmal erhöhter Unzuverlässigkeit.
3. Empfehlung Freilaufnaben
Wer seinen Allradantrieb und/oder die Untersetzung öfter und auch im Gelände nutzt, wird an manuellen Freilaufnaben nicht vorbei kommen, und sich damit u. A. eine vorausschauende Geländefahrweise angewöhnen. Denn fährt man sich nun aufgrund unverriegelter Freilaufnaben fest, hat man einfach nur vergessen, sie rechtzeitig zu betätigen, d.h. vor Geländefahrt auszusteigen. Hier lautet die Devise also nicht, erst im Schlamm zu wühlen um die Schaltstellung zu erraten, sondern die Freilaufnaben frühzeitig einzuschalten. Wer ein regelmäßiges Ritual benötigt, verriegelt die Naben grundsätzlich beim Verlassen von festem Untergrund und entriegelt diese, sobald es wieder zurück auf die Straße geht. Wer völlig vergesslich ist oder ein Leihfahrzeug besitzt und dennoch Schäden am Antriebssystem vermeiden möchte, bringt eine entsprechend gut sichtbare Hinweisplakette am Amaturenbrett/Cockpit an.
Besteht über längeren Zeitraum keine Notwendigkeit für den Allradantrieb, sollte man die Naben ab und zu auch warten, d.h. einige Meter auf losem Untergrund fahren und den Schaltzustand wechseln. Belastung ist dafür nicht notwendig, der Allradantrieb sollte jedoch zugeschaltet sein. Wir empfehlen dies spätestens im Zusammenhang mit einer generellen Fahrzeugwartung-/Inspektion und sowieso vor und nach jeder Fernreise und/oder eines harten Geländeeinsatzes.
Die Hersteller Warn Industries (USA), AISIN (Japan) und AVM (Brasilien) bieten für viele Fahrzeugmodelle Freilaufnaben in unterschiedlichen Qualitätsausführungen an. Bei hochwertigen Modellen bestehen Achsaufnahme und Kupplungsring aus gedrehtem Stahl (keine Gussteile), die Lagerbuchse aus Bronze. Hier mal ein AVM-Vergleich für den Nissan Patrol GR Y60:
Links: AVM Heavy Duty 745HP (Stahl-Gehäuse mit Aludeckel, 140,-€)
Rechts: AVM Extreme Heavy Duty 745XP (einteiliges Stahlgehäuse, 170,-€)
Guten Abend,
Ich hätte eine Frage zu den Doppelfunktions Freilaufnaben. Ich habe die bei einem Nissan Patrol K160 dazu bekommen.
Haben Sie vielleicht eine Anleitung oder eine Explosions Zeichnung von so einer Nabe?
Danke im voraus und beste Grüße
Lorenz aus Kärnten
Hallo Lorenz, da ich diese automatischen selbst nicht nutze, kann ich aktuell leider keine zerlegen. In meinen original Nissan-Werkstatthandbüchern zum Patrol dürfte jedoch eine Detailzeichnung enthalten sein. Aktuell habe ich jedoch keinen Zugriff darauf, da sich diese im Patrol selbst befinden (welcher nicht bei mir vor Ort steht). Wenn wir unsere Touren wieder starten, werde ich jedoch auf dieses Thema wieder eingehen (müssen), und mich bestimmt an diese Frage erinnern; dann könnte ich eine Kopie der entsprechenden Seite hochladen. Sollte der Rat dringend sein, kann ich aktuell nur auf gebrauchte Anleitungen oder Microfiche verweisen, welche allerdings mittlerweile gut im Preis stehen dürften. Die dicken Nissan-Ordner hatten bereits vor 10 Jahren gut 100,-€ gekostet, und gut erhaltene sowie vollständige Exemplare sind noch seltener als die Fahrzeuge.
Beste Grüße in die Alpen, Dominik
Hallo,
zunächst vielen Dank für diese tolle Erklärung.
Dennoch tun sich bei mir noch Fragen auf und oder ich verstehe es einfach nicht 🙂
Wenn ich bspw. mit einem Toyota LC HZJ75 fahre, welcher mit Heckantrieb fährt und an den beiden Reifen der Vorderachse keine Freilaufnaben montiert sind, läuft die Antriebswelle für die Vorderachse immer mit, korrekt? Und genau dafür sind eben diese Freilaufnaben…(Verschleiß, Spritverbrauch, etc.)? Auf die Frage, warum dann nicht pauschal immer nur Freilaufnaben montiert sind, womit ich entweder im 2 wheel drive Modus (via Heck) oder im 4 whd Modus ja erstmal nur Vorteile habe, lautet die Antwort, dass ich im 4 whd Modus bei Rückwärtsfahrt, keine eingreifenden rückwärtsfahrenden Vorderreifen hätte (sprich mein 4 whd wäre nur vorwärtskompatibel, nicht aber rückwärts).
Habe ich das so richtig verstanden?
Vielen Dank und viele Grüße
Chris
Hallo Chris, zu Deinen zwei Punkten:
1. Die vordere Antriebswelle läuft nur mit, wenn auch das Zwischengetriebe zugeschaltet ist, ansonsten natürlich nicht. Ohne verriegelte Freilaufnaben würde dann (außer der sinnlos laufenden Welle) gar nichts passieren, mit verriegelten würden die Vorderräder zugeschaltet werden.
2. Die automatische Freilaufnabe entsperrt bei Rückwärtsfahrt nur, wenn das Rad nicht fest ist, d.h. die Antriebswelle auch abgeschaltet ist. Steckt der Wagen im Sand oder Schlamm fest, entsperrt sie i.d.R. nicht, denn das wäre völlig sinnfrei. ABER die automatische Freilabe ist eben leider nicht so zuverlässig wie die manuelle, weshalb sie durchaus in einem ungünstigen Moment, und auch bei zugeschalteter Antriebswelle (z.B. beim Herausschaukeln) entsperren kann.
Des weiteren ist eine manuelle Freilaufnabe sinnvoll, wenn man bei zuschaltbarem Allradantrieb zwar die Untersetzung, nicht aber unbedingt den Allradantrieb selbst benötigt. Beim Rangieren mit einem schweren Hänger oder auf losem Untergrund, kann man so auf der Hinterachse mit Untersetzung fahren, ohne dass man durch eine zugeschaltete Vorderachse den Wendekreis ungünstig vergrößert. Das kann eine automatische Nabe nicht. Ein permanenter Allradantrieb würde die starre Längsverbindung, und damit einen vergrößerten Wenderadius durch ein Mitteldifferential ausgleichen (was beim zuschaltbaren konstruktionsbedingt nicht möglich ist).
Der wirklich einzige Vorteil einer automatischen Freilaufnabe, ist die Unterstützung der Faulheit oder Dummheit des Fahrers, der weder aussteigen noch großartig nachdenken muss. Dies jedoch beißt sich massiv mit dem Nutzen eines Geländewagens bzw. dem Wissen des Fahrers. Denn wer die Funktion seines Allradantriebs nicht verstanden hat, fährt sich nicht nur öfter fest, sondern verursacht zudem auch unnütze Schäden am Allradsystem. Daher findet man bei keinem seriösen Geländewagen eine automatische Freilaufnabe, weltweit einzige mir bekannte Ausnahme ist der Nissan Patrol GR mit seiner Kombinations-Freilaufnabe die sowohl automatisch als auch manuell bedient werden kann. Geländefahren bedingt immer eine sehr vorausschauende Fahrweise, bei welcher man nicht nur beim Zu- und Abschalten der Freilaufnabe, sondern auch sonst immer mal wieder aussteigen und gucken muss. An der Art der verbauten Nabe erkennt man also den Fahrer bzw. Einsatzzweck; wer auf zuverlässigen Allradantrieb angewiesen ist, wird eine manuelle Nabe fahren. Wer keine Ahnung hat, und/oder sein 4×4 nicht wirklich im Gelände benutzt, der fährt mitunter automatisch. Die automatische Freilaufnabe war sinnnfreie eine PR-Entwicklung, in keinem Geländewagen der Welt würde ich so etwas unzuverlässiges einbauen.
Beste Grüße, Dominik