Autor: Dominik
Meine Modifikation des serienmäßigen, und sehr umständlichen, Pull-Back-Beckengurt-Systems (z.B. bei Tasmanian Tiger), auf das deutlich komfortablere, und mindestens bei höheren Lasten notwendige, Pull-Forward-System.
1. Vorher vs. Nachher
Bei vielen Rucksackmodellen der Marke Tasmanian Tiger sowie auch einigen anderen Herstellern, ist das Beckengurtsystem nur relativ unkomfortabel zu bedienen. Statt die beiden Gurte leicht und Kräfte-schonend in einer Bewegung seitlich am Becken nach vorn zu ziehen (was gewiss keine Mode-Erscheinung ist!), müssen diese umständlich abwechselnd Stück für Stück nach schräg hinten festgezogen werden. Was bei kleinen leichten Tagesrucksäcken weniger schlimm ist, entpuppt sich bei höheren Lasten in größeren Rücksäcken als echtes Defizit. Einen beispielsweise 35kg schweren Rucksack auf dem Rücken mit schwankenden Bewegungen von rechts nach links auf den Körper einzustellen, ist nicht nur mühsam, sondern raubt vor allem unnütz wichtige Kräfte. Auf einer mehrtägigen Trekking-Tour durchs Gebirge stellt sich allein dadurch mitunter ein echter Unmut auf den eh schon schweren Rucksack ein.
Für den Hersteller ist die unkomfortable Konstruktion mit nur einem Schnellverschluss die einfachste und zugleich auch günstigste. Das hingegen komfortablere Pull-Forward-System mit zwei zusätzlichen Leiterschnallen, welche die Zugbewegungsrichtung ähnlich einem Flaschenzug umlenken, kostet etwas mehr Material als auch Arbeitszeit. Der Aufwand dieses nachträglich zu ändern, ist mitunter nicht einfach, lohnt für den erfahrenen Nutzer aber dennoch. Der Unterschied vorher-nachher ist enorm, wenn nicht schon phänomenal.
Bei der Produktion von Rucksäcken werden deren Bestandteile in einer ganz bestimmten Reihenfolge zusammen genäht, das Außenmaterial der fertigen Hüftflosse in dessen letztem Produktionsschritt über die formstabile dicke Polsterung gestülpt. Nachträgliche Änderungen sind damit nur relativ schwierig umzusetzen, weil i.d.R. nicht genügend Material übersteht, um dieses vernünftig unter den Nähfuß der Nähmaschine zu bekommen (es sei denn, man besitzt eine Freiarm). Die dicke Hüftflosse kann von Hand nicht gefaltet, und der Rucksack im Ganzen auch nicht unter den Arm der Nähmaschine geschoben bzw. grundsätzlich gut gehandhabt werden.
Abnehmbare Hüftflossen bei kleineren Rucksäcken erleichtern den Umgang mit dem sonst großen Rucksack zwar etwas, das Annähen der Leiterschnallen so nah wie möglich am Ansatz des Gurtbands, und dabei noch auf der Polsterung (wichtig!), bleibt in jedem Fall eine Tortur (auch zu zweit nicht deutlich besser). Bevor ich mich selbst an meinen ersten Rucksack gewagt hatte, lehnten mir damals drei ortsansässige Schneidereien diesen Arbeitsauftrag ab; trotz großzügigen Entlohnungsangebotes sowie Materialbereitstellung.
Eine perfekte Naht entsteht normalerweise und einzig dadurch, dass die Maschine das zu nähende Material selbstständig und frei/leichtgängig unter dem Nähfuß hindurch zieht. Dies jedoch ist hier (bis auf die beiden einfachen Gurtbandenden) leider nicht möglich, weshalb die optische Qualität der entstanden Nähte auch nicht so perfekt sein kann, als würde man das Ganze in einer sinnvollen Reihenfolge nähen. Kompensieren tue ich diesen Kompromiss durch eine Kombination von Gerad- und Zickzack-Nähten, welche am Ende nicht weniger stabil sind.
Arbeiten tue ich mit professionellen Industrienähmaschinen und knapp 1000 Watt Leistung bei 380 Volt Drehstrom, über 10mm Nadelhub, sowie technisch aufwendigen Zwei- und Dreifachtransporten. Haushaltsnähmaschinen hingegen schaffen meist nicht einmal die drei notwendigen übereinander liegenden Lagen Gurtband, brechen dabei auch schon mal Nadeln ab, und ermöglichen somit i.d.R. auch keine langfristig haltbaren Resultate (einige wenige Modelle ausgenommen).
Hinweis: In all den Jahren in denen ich mich nun mit diesem Umbau beschäftige, habe ich immer mal wieder gelesen “…das ist nicht schwer…”, bis heute jedoch nirgendwo einen Nachweis dessen gesehen. Erstmals am 02.06.2024 wurden mir aussagekräftige Bilder eines eigenen Umbaus zugesandt, wobei jedoch ein anderes System als meines genäht wurde. Prinzipiell ermutige ich Menschen, ihr Glück selbst zu versuchen; sowohl öffentlich als auch auf meinen Touren. Kategorisch ablehnen muss ich jedoch misslungene Umbauten bei denen das Gurtband an der falschen Stelle zu kurz abgeschnitten wurde, welches auch nicht nicht wieder dran-zaubern kann.
2. Mein Umbau
Für meinen Umbau nutze ich ausschließlich die hochwertigsten Komponenten namhafter Hersteller, d.h. absolut robuste Qualität, welche nicht nur militärischen Anforderungen, sondern auch jedem rauen Wildnis-Einsatz genügt. Das von mir verwendete Material ist damit nicht nur dem originalen ebenbürtig, sondern tatsächlich noch besser. Die von mir verwendeten Komponenten Leiterschnallen, Nähgarn und 50mm-Gurtband stammen nachweislich aus deutscher Produktion; einzig das 38er Gurtband sowie die Schnellverschlüsse stammen vom Rucksack-Hersteller selbst.
Für 38mm-Systeme verarbeite ich folgende Komponenten:
- Gurtband in den Farben Olivgrün und Schwarz (kein Coyotebraun)
- Schnellverschlüsse in den Farben Olivgrün und Coyotebraun (kein Schwarz)
- Leiterschnallen in den Farben Olivgrün und Coyotebraun (kein Schwarz)
Für 50mm-Systeme verarbeite ich folgende Komponenten:
- Gurtband in den Farben Olivgrün und Coyotebraun (kein Schwarz)
- Schnellverschlüsse in den Farben Olivgrün und Coyotebraun (kein Schwarz)
- Leiterschnallen in den Farben Olivgrün und Coyotebraun (kein Schwarz)
Bitte teilen Sie mir Ihre individuellen Farbwünsche mit. Komponenten in anderen Farben (z.B. 50mm Schwarz) verwende ich aktuell nicht, da die sich zur Zeit auf dem Markt befindlichen nicht meinen Qualitätsanforderungen entsprechen (minderwertige China-Ware), oder die gewünschten Komponenten schlichtweg nicht existent sind.
Der Umfang des Beckengurtes, d.h. die Riemenlänge, entspricht nach dem Umbau dem vorherigen Original. Ist eine andere Länge gewünscht, teilen Sie mir diese bitte mit. Bedenken Sie auch, dass durch das Flaschenzugsystem mit zusätzlich vernähtem Gurtband, nach dem Anlegen nun auch mehr Gurtband übersteht, und nicht unnötig störend zwischen den Beinen umher baumeln sollte. War Ihnen das originale Gurtband bereits deutlich zu lang, empfehle ich weniger neue Länge.
Für den Versand des Rucksacks bitte ich, diesen so kompakt wie nur möglich zu packen, d.h. das Tragesystem (Aluschienen) heraus und ggf. den Deckel abzunehmen, und den Rucksack z.B. mit einem Zurrgurt oder Band zu komprimieren.
Hinweis: Auf Anfragen, wie man diesen Umbau mit genauer Anleitung und Materialquellen selbst realisieren könnte, gehe ich ab 2023 nicht mehr ein. Abgesehen davon, dass mir diese Hilfe in der Vergangenheit tatsächlich niemand finanziell gedankt hat, wird jeder, der die von mir verwendeten Materialien einmal durchrechnet, zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass mein Preis für diesen Aufwand äußerst fair ist. Besitzt man nicht zufällig bereits alle für diesen Umbau notwendigen Komponenten, lohnt sich die Teilebeschaffung für nur einen Rucksack nicht; hinzu kommen Arbeitszeit und Maschinenverschleiß. Unabhängig davon waren bisher sämtliche Kunden sowohl mit meiner Arbeit, als auch dem daraus entstandenen neuen Nutzungserlebnis sehr zufrieden.
3. Kompressionsriemen
Neben dem Umbau des Beckengurtes erweisen sich mitunter auch andere Modifikationen als durchaus sinnvoll. Nicht immer hat der Hersteller praxisbezogen gedacht, leider immer öfter erscheinen gänzlich undurchdachte Produkte.
Ein Beispiel sind die seitlichen Kompressionsriemen des Tasmanian Tiger Field Pack MKII. Diese sind einerseits nur geschlossen, was die allgemeine Funktion der Praxis deutlich beeinträchtigt, als auch noch zu kurz für die voll-bepackten TT Tac Pouch 9 SP. Zudem befindet sich ihre Leiterschnalle auch noch an der Frontseite des Rucksacks, so dass diese maximal mühsam bedient werden kann, wenn der volle Rucksack mit dem Rücken nach oben auf dem Boden liegt. Kein Mensch gesunden Verstandes legt seinen Rucksack mit dem empfindlicheren sauberen Rückenpolster in den Dreck um dann die seitlichen Riemen zu bedienen; und das Field Pack steht auch unter keinen Umständen von allein aufrecht (kippt immer nach vorn).
Meine Änderung, auf Kundenwunsch, und in Verbindung mit dem Pull-Forward-System zum “Field Pack MK III”, war daher der komplette Umbau der beiden seitlichen Kompressionsriemen, auf einen zur Rückseite des Rucksacks hin, leicht zu öffnenden Schnellverschluss (2M), sowie 10cm längerem Gurtband (Tatonka). Auch wenn es sich hier um ein nur vergleichsweise kleines Band handelt, entspricht der Aufwand dieser Arbeit, aufgrund der Anzahl an Nahtstellen, dem doppelten des Umbau des Beckengurtes. Die Schwierigkeit bestand hier, wie auch bei den Leiterschnallen des Beckengurts, die Schnellverschlüsse möglichst nah zum Rücken anzusetzen, um auch jene bessere Bedienung bei liegendem Rucksack zu gewährleisten. Damit es sich auch optisch gut integriert, habe ich die alten Leiterschnallen mit verwendet, sowie auch das Klett zum Aufrollen des neuen Gurtbandes.
Dieser Umbau steigert den Praxiswert, und damit auch das Nutzungserlebnis. Wie viele sinnvolle Modifikationen, steigert er zudem auch den allgemeinen Wert des Rucksacks, z.B. im Falle eines Verkaufes; sofern man sich danach überhaupt noch von dem Rucksack trennen möchte. Denn mit einer der meisten Gründe für den Verkauf von Rucksäcken (neben reinen Fehlkäufen), sind die Unzufriedenheiten der Nutzer mit den Funktionen während des Einsatzes. Von einem wirklich guten Rucksack trenne ich mich allenfalls, sollte es einen noch besseren geben. Bei meinen von mir selbst hergestellten Rucksäcken habe ich, heraus meiner langjährigen Wildnis-Erfahrung, den Anspruch an den möglichst perfekten Rucksack umgesetzt, welcher ausschließlich durchdachte Funktionen beinhaltet. Über Geschmack lässt sich grundsätzlich streiten, und auch persönliche Ansprüche sind individuell, davon unabhängig jedoch, sind für Auskenner gewisse Funktionen essentiell.
4. weitere Modifikationen
Was machbar ist, d.h. Kundenwünsche welche sich überhaupt an einer Industrienähmaschine umsetzen lassen (inklusive Reparaturen), versuche ich auch zu realisieren. Jeder modifizierte Rucksack ist damit, entsprechend seines Umbaus, ein Unikat. Für Wünsche sowie auch kreative Anregungen habe ich grundsätzlich ein offenes Ohr.
Moin, ich interessiere mich für ein Pull-Forward System für meinen TT Base Pack 52. In wie fern kannst du mir damit behilflich sein?
Liebe Grüße & ein schönes Wochenende!
Hallo Jan-Michael, wenn Du es wie im Beitrag gezeigt umgenäht haben möchtest, einfach kurze email an mich;-) Beste Grüße, Dominik
Hallo Dominik,
Vielen lieben Dank für den netten Kontakt und den reibungslosen Umbau des Hüftgurtes an meinem Field Pack.
Es hat sich mehr als gelohnt. Der Hüftgurt ist bei weitem besser zu bedienen. Ich kann den Umbau nur jedem mit Serien System empfehlen. Ebenso kann ich deine Arbeit bedenkenlos weiter empfehlen. Einfach Top. 👍👍
Vielen Dank Dennis für Deine überaus positive Rückmeldung, sowie auch Deine Dankbarkeit (;-), und ich wünsche Dir mit der nun besseren Funktion, noch mehr Freude auf Deinen zukünftigen Touren! Beste Grüße, Dominik