Autor: Dominik
1. Aussehen
Den kompletten offiziellen Rassestandart des Weimaraners findet man beim „FCI-Standart Nr. 99 / 26-05.2015 /DE, Klassifikation FCI: Gruppe 7 Vorstehhunde. Sektion 1.1 Kontinentale Vorstehhunde, Typ Bracke. Mit Arbeitsprüfung.“
Ich fasse die phänotypischen Merkmale wie folgt zusammen:
- Größe: 62-70cm (Rüden) bzw. 59-65cm (Hündinnen)
- Gewicht: 30-40kg (Rüden) bzw. 25-35kg (Hündinnen)
- Proportionen: Im Verhältnis Rumpflänge zu Widerristhöhe ist der Weimaraner eher rechteckig als quadratisch; der lange kräftige Rücken macht ihn zu einem guten Läufer, d.h. im Trab bleibt der Rücken gerade, der Galoppsprung ist lang und flach. Der Bewegungsablauf ist in allen Gangarten raumgreifend und fließend, Vorder- und Hinterläufe werden parallel eingesetzt.
- Rüden sind sowohl größer als auch kräftiger als Hündinnen, sie haben vor allem einen breiteren Kopf
- Beide haben einen vergleichsweise geringen Stopp (Stufe zwischen Schädelknochen und Schnauze)
- Die Schnauze (Fang) ist vor allem beim Rüden kräftig, im Profil fast kantig
- Die Ohren (Behang) sind lang und breit, am Kopf hoch und schmal angesetzt und erreichen in etwa den Mundwinkel; nach unten sind sie spitz abgerundet. Besonders charakteristisch ist das bei Aufmerksamkeit Aufstellen der Ohren nach vorn, wie Segel auf einem Schiff.
- Im Welpenalter sind die Augen himmel- bis ultramarinblau, was so ziemlich jeden Menschen begeistert. Dies bleibt jedoch nicht lange, die Augenfarbe geht relativ schnell über grünlich in bernsteinfarben über.
- Der muskulöse Hals verstärkt sich über den Schultern und geht harmonisch in Rückenlinie und Brust über.
- Die Brust ist kräftig aber nicht übermäßig breit, mit langen Rippen und gut gewölbt, sie reicht fast bis zum Ellbogen.
- Die Vorder- und Hinterbeine (Läufe) sind hoch, gerade, sehnig und gut bemuskelt. Beim entspannten Stehen jedoch, kann das Gesamtbild auch extrem locker erscheinen.

- Die kräftigen Vorderpfoten stehen gerade zur Körpermitte, die gewölbten Zehen liegen eng aneinander, die Mittelzehen sind dabei etwas länger. Krallen sind hell- bis dunkelgrau (grauer Weimaraner) bzw. bis schwarz (blauer Weimaraner), die Vorderpfoten besitzen Wolfskrallen.
- Die Rute ist kräftig und gut behaart, der Rutenansatz liegt vergleichsweise tiefer unter der Rückenlinie. Leider wird in Jägerkreisen heute immer noch mit dem Argument kupiert, der Hund könne sich im Jagdbetrieb daran verletzen. Tatsächlich ist der für den Hund durch das Kupieren angerichtete Schaden wesentlich höher: die Steuerungs- und Balancefunktion fehlt (bei schnellen Wendungen, beim Sprung, am Fels, im Wasser, etc.), die Schutzfunktion für die Geschlechtsteile fehlt (bei Angst wird die Rute zum Schutz eingezogen bzw. darüber gelegt), das Kommunikationsmittel fehlt (sowohl gegenüber Artgenossen als auch gegenüber uns Menschen), die Analdrüsen können (durch die weniger ausgeprägte Aftermuskulatur) nicht mehr sinngemäß entleert werden, bei besonders schlecht kupierten Ruten kann die Violsche Drüse (5.-7. Schwanzwirbel) verletzt werden, außerdem kann es zu Wundheilungsstörungen und lebenslangem Schmerzen kommen. In meinen Augen ist das kupieren, aus welchem Grund auch immer, mittelalterliche Tierquälerei, gleichzusetzen mit dem verachtenden Mulesing bei Merinoschafen.
- Die kurzhaarigen (grau und blau) haben kräftiges, sehr dichtes und glatt anliegendes Deckhaar ohne oder mit nur wenig Unterwolle. Bei niedrigen Temperaturen oder Müdigkeit nach langer Belastung tendiert der Weimaraner eher zum Frieren als die meisten anderen Hunde (entsprechender Wärmeschutz ist hier keine Schande!). Der langhaarige Weimaraner kann sowohl langes weiches, aber auch kürzeres härteres Haar haben, die Körperoberseite ist dabei dichter behaart als die Körperunterseite; Ohren, Rute und Läufe besitzen i.d.R. längeres, weicheres Haar. Mit ein Grund für die wesentlich geringere Anzahl an Langhaar Weimaranern ist die Dominanz der Kurzhaarvererbung, aber natürlich auch die Selektion in der Zucht. Und dennoch ist gerade der Langhaar-Weimaraner eine kleine Spur mehr Jagdhund als der Kurzhaar, was eine geringere Familientauglichkeit mit sich bringt.
- Die Farbe wird, weil wie beschrieben der blaue Weimaraner vom Weimaraner Klub nicht anerkannt wird, ausschließlich als silber-, reh oder mausgrau mit jeweiligen Übergängen zwischen diesen Farbtönen definiert, alles andere erfülle nicht den (vom Club selbst definierten) Rassestandart. Kopf und Ohren sind meist etwas heller, an Brust und Zehen können weiße Abzeichen auftreten, auf dem Rücken ein mehr oder weniger gut ausgeprägter Aalstrich. Diese Fellmerkmale treffen auch auf den blauen Weimaraner zu, dessen Tönung man als dunkelgrau bis anthrazit bezeichnen kann.

2. Charakter
Neben dem edlen Aussehen ist der Weimaraner aber vor allem eines: ein Charakterhund… bei dem das äußere Erscheinungsbild oft über die verhaltensgebenden Eigenschaften hinwegtäuscht. Hier ein paar Charakter-Merkmale in alphabetischer Reihenfolge: aktiv, anhänglich, arbeits- und lernwillig, aufmerksam, ausdauernd, energisch, intelligent, konzentriert, kraftvoll, mutig, schnell (unser Ilai: 62,4km/h), stur, vielseitig, wachsam, wesensfest, zurückhaltend, zuverlässig.
Im offiziellen FCI-Rassestandart heißt es: „Vielseitiger, leichtführiger, wesensfester und passionierter Jagdgebrauchshund mit systematischer und ausdauernder Suche, jedoch nicht übermäβig temperamentvoll; Nase von bemerkenswerter Güte; raubzeug- und wildscharf; auch wachsam, jedoch nicht aggressiv; zuverlässig im Vorstehen und in der Wasserarbeit, bemerkenswerte Neigung zur Arbeit nach dem Schuss.“
Was hier für den ein oder anderen auf den ersten Blick positiv klingt, bezieht sich aber vor allem auf den Jagdbetrieb und den Vergleich mit anderen Jagdhunderassen. Abseits dessen, also im vorrangigen Alltags- und Familienumfeld bedarf es einem sehr konsequenten Umgang mit dem Dickschädel Weimaraner.
Namensgebend für die Vorstehhundeklasse ist natürlich das erblich veranlagte Vorstehen, d.h. das bei angezogenem Vorderlauf Blicken in Wildrichtung. Dies ist auch im Nicht-Jagdbetrieb sinnvoll, beim Vorstehen sind wir gewarnt, dass der Hund auf Wildsuche jeden Moment loslaufen könnte, d.h. wir ihn rechtzeitig davon abhalten können. Das Vorstehen hat mich aber auch schon rechtzeitig vor Gefahren gewarnt, die wir als Mensch erst sehr viel später wahrgenommen hätten: auf Wölfe und Bären in Alaska sowie Panther in den USA konnten wir uns rechtzeitig vorbereiten.
Unter Wildschärfe versteht man im Jagdbetrieb eine Wehr- und Aggressionsbereitschaft gegenüber Wild; der Jagdhund soll Wild bis zum Eintreffen des Jägers festhalten oder durch Biss in den Hals töten. Weist der Jagdhund diese beherzte Vorgehensweise auch gegenüber wehrhaftem Wild auf, nennt man diese unempfindliche Härte Raubzeugschärfe. Diese Schärfe war vor allem in der früheren Jagd und im damaligen Försteralltag gewünscht, heute jedoch setzt man zunehmende auf soziale Kompetenz, d.h. der Unbefangenheit des Weimaraners gegenüber Menschen und Tier. Wie viele andere Hunderassen kann man auch einen Weimaraner mannscharf abrichten, d.h. gezielte Aggression bis hin zu Angriffsverhalten gegenüber Menschen. Ich weiß von Weimaranern im Nahen Osten, die entlang Stacheldrahtzaun und Minengürtel scharf die Grenze zum Nachbarland bewachen. Die selbe Rasse und dennoch weit entfernt vom deutschen Anwendungszweck und ein Nachweis für die extreme Vielseitigkeit. Vieles ist möglich, keineswegs jedoch ist ein Tier nur böse, weil es so auf die Welt gekommen ist; es wird vor allem durch seine Umwelt geprägt. Jeder Hundebesitzer übernimmt selbst die Verantwortung für eine entsprechende Erziehung. Einer unserer Weimaraner, mit sehr viel Liebe erzogen, ist der Friede selbst; keine gegen ihn gerichtete Aggression lässt ihn so sehr aggressiv werden, dass man ihn auch nur ansatzweise mannscharf nennen könnte. Man muss nicht jede Veranlagung auch wecken, selbiges gilt für den Jagdtrieb, wenn man ihn nicht braucht. Schutzrieb hat er natürlich und dafür lieben und verlassen wir uns auch auf ihn. Weimaraner sind hervorragende Wachhunde; bei fremder „Gefahr“ für das eigene Grundstück schlagen sie unverzüglich Alarm. Diese Eigenschaft schätzen wir nicht nur zu Hause auf dem eigenen Grundstück, ganz besonders unterwegs auf Tour möchten wir sie nicht missen. Ein Weimaraner auf den Vordersitz unseres geparkten Fahrzeuges in einer offensichtlich weniger sicheren Gegendend schreckt ausreichend genug ab, nicht an das Fahrzeug zu gehen. Und auf Trekkingtouren im täglich wechselnden Outoor-Camp steckt der Weimaraner sein Revier automatisch ab; je nach Umgebung passiert nichts und niemand seine „rote“ Linie, man kann beruhigt im Zelt einschlafen. Ohne Weimaraner wären einige Situationen sicher schon ganz anders ausgegangen, und gerade vor unserem blauen, d.h. dem „großen schwarzen Hund“ haben die Menschen sichtlich Respekt, während die graue Hündin eher als friedlich wahrgenommen wird (wobei nicht selten eher das Gegenteil der Fall ist).